Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Tod
Für bewußt existierende Menschen sind das Sterbenmüssen u. die Erscheinungsformen des Todes das denkbar Abscheulichste, auchwenn ein T. im einzelnen als ”gnädige Erlösung“ oder als stilles, lebensmüdes ”Erlöschen “ (”natürlicher T.“) erfahren wird. Die Protesthaltung gegen die Abscheulichkeit des Todes, die Zerstörung des Leibes u. das Ende aller Beziehungen äußert sich im Kampf der Naturwissenschaften gegen den T., den sie hinauszögern, aber nicht besiegen können. ”Lebensverlängerungen“ machen den T. im allgemeinen nur qualvoller. Der T. kann ”unnatürliche“ Ursachen (Gewalt, Katastrophen, Unfälle) haben, durch Krankheiten bewirkt sein oder nach Ablauf der allem Lebendigen genetisch einprogrammierten, begrenzten Zahl von Zellteilungen ”von selbst“ eintreten. Der hilflose Protest gegen den T. äußert sich auch in der Ablehnung jenes Schöpfer-Gottes, auf den der T. zweifellos zurückzuführen ist (Theodizee) . 1. Theologiegeschichtliche Sicht des Todes. Die bedeutendste vorchristliche Beschreibung des Todes stammt von Platon († 347 v.Chr.): Der T. ist die Trennung von Leib u. unsterblicher Seele. Da die geistige Seele in platonischer Auffassung das ”Eigentliche“ am Menschen darstellt, kann der T. dem Menschen nichts anhaben; im Gegenteil: er gilt als Befreiung der Seele aus einem Kerker, als Auferstehen aus einem Grab. Der Leib ist unerheblich, das Ich, sofern es gerecht gelebt hat, gelangt in einen seligen Zustand u. freut sich an der Begegnung mit im T. vorangegangenen Gerechten (T. des Sokrates). Mit diesem dualistischen Denken trösteten sich viele christliche Generationen. In der Theologie wurden die unterschiedlichen Aussagen der Bibel zum T. nicht gleichmäßig beachtet, vielmehr galt die Aufmerksamkeit ausschließlich den Texten, die das Sterbenmüssen aller Menschen als Straffolge der Ursünde ”Adams“ darstellen (vor allem Röm 5, 12; vgl. Erbsünde). Von da aus wurde der T. von derMehrzahl der Theologen u. Katechismen bis in die 2. Hälfte des 20. Jh. als Folge der Sünde angesehen u. sein Einbruch in die biologische Geschichte mit dem Sündenfall im Paradies angesetzt. Die Gedanken der Aufklärung, daß eine Kollektivbestrafung dieser Art jede Verhältnismäßigkeit vermissen lasse u. eines göttlichen Gottes unwürdig sei, kamen nicht zur Geltung. Die Existenz des Todes in der Schöpfung vor dem Sündenfall ”Adams“ wurde von einigen Theologen als ”Vorauswirken“ der Ursünde ausgegeben. Nach der Bibel wurde die Todesandrohung im Paradies (Gen 2, 17) nicht wahrgemacht, vielmehr wird das Sterben der ersten Sünder als etwas ”Natürliches “ dargestellt (Gen , 19). In der Weisheitsliteratur wird der T. auf Gott (Sir 11, 14) oder ausdrücklich nicht auf Gott, sondern auf den [c darkviolet]Teufel zurückgeführt (Weish 1, 13; 2, 24). Im johanneischen Schrifttum wird der T. als Ende des irdischen Lebens nicht ernstgenommen (Joh 8, 51), vielmehr ist die Sünde zum T. (1 Joh 5, 16), der Abbruch der Gottesbeziehung in einem ”zweiten T.“ (Offb 2, 11; 20, 6) das eigentlich Bedrohliche. In der traditionellen Theologie wurde der T. in der Eschatologie kurz im Zusammenhang mit dem Thema des individuellen Gerichts besprochen. Als bemerkenswertester Inhalt kann die Meinung gelten, daß das irdische Leben die Zeit der Entscheidung u. unter dem Vorzeichen der Barmherzigkeit Gottes die Chance immer neuer Umkehr (Buße) sei, während im T. dieser ”Pilgerstand“ ende, keine Revision fehlerhafter Freiheitsentscheidungen mehr möglich sei u. Gottes Gerechtigkeit unerbittlich walte. Zusammen mit den Drohungen durch die Hölle wurde der T. in einer Seelsorge durch Einschüchterung instrumentalisiert. ImZeichen der Säkularisierung wird den Kirchen vorgeworfen, nach dem Schwinden ihres öffentlichen Einflusses hielten sie als letzte Bastion der Schadenfreude den T. ”besetzt“, der alle ”diesseitigen“ Fortschrittsimpulse zunichte mache.
2. Der Tod Jesu. Das Sterben Jesu als Zugang auf seinen T. hat einen doppelten Aspekt: Zum einen ist es passiv erlittene Folge von Verurteilung, Folter u. Kreuzigung, also ein Jesus ”von außen“ zugefügtes Widerfahrnis, zum andern ist es ein bewußtes, personales Tun, da Jesus bewußt war, daß er die Priesterhierarchie am Tempel bis zum äußersten provoziert hatte, da er die Konsequenzen seiner Gottesverkündigung bis zum Ende auf sich nehmen wollte (sein ”Gehorsam“ nach Phil 2, 8), da er in der Vorausdeutung seines Todes beim Abendmahl seinen Willen aussprach, sein T. möge ”vielen“ zugute kommen, u. da er das ihm verbliebene Leben vertrauensvoll in die Hände des Vaters legte (Lk 2, 46). Zweifellos gehörte Jesus zu jenen frommen Juden, die sich darauf verließen, daß GottesMacht nicht an der Grenze des Todes endet, so daß er (gemäß der Psalmenfrömmigkeit, vor allem in Ps 16; 49; 73) erwartete, daß der Gott der Lebendigen u. nicht der Toten (Mt 22, 31 f.) ihn aus dem T. erretten würde. In diesem Vertrauen nahm er den T. aller lebendigen Kreaturen auf sich. Sein Vater bezeugte die Annahme dieses Tuns in der Auferweckung aus dem T. (Auferstehung Jesu ). Zweifellos sah eine Traditionslinie schon vom NTan Sterben u. T. Jesu als stellvertretende Sühne für die ”Sünde der Welt“, einflußreich auch für die ev. Theologie des Kreuzes. Diese theol. Deutung ist jedoch nicht die einzig mögliche u. ist wegen des ihr zugrundeliegenden ”Gottesbildes“ großen Mißverständnissen ausgesetzt (von dem Eindruck, Gott sei rachsüchtig u. blutgierig bis zur leichtfertigen Berufung auf eine ”billige Gnade“). Der T. Jesu kann auch als ”Sakrament“ verstanden werden, weil in ihm das ”Bezeichnete“, der alle Menschen umfassende [c darkviolet]Heilswille Gottes , in einem greifbaren ”Zeichen“ – Leben, Sterben u. Auferwekkung Jesu als Einheit in einem radikalen Sein-für-andere gesehen – geschichtlich gegenwärtig u. wirksam wird.
3. Eine erneuerte Theologie des Todes ist ohne Zweifel zu einem guten Teil K. Rahner († 1984) zu verdanken. Einflußreich waren seine seit 1958 vorgetragenen Gedanken: a) Das anthropologische Geschehen beim T. Unter Aufnahme von Gedanken bei R. M. Rilke († 1926) u. M. Heidegger († 1976) über den ”eigenen T.“ u. den T. als Tat wies Rahner darauf hin, daß die menschliche Fähigkeit, in Freiheit über sich selber zu verfügen, nicht einfach angesichts des Todes kapitulieren u. vergehen darf, sondern daß ein Mensch seinen T. im Glauben verstehen darf als Ende des Prozesses, in dem die geistige Person sich ”auszeitigt“ u. ”auszeugt“ u. durch Gott zu ihrer Endgültigkeit u. Vollendung zu kommen hofft. Wie bei Heidegger setzt Rahner den T. als Tat nicht im Moment des Exitus an, sondern in einem durch das Leben hindurch bewußt übernommenen u. bejahten Hingang zum Ende. Ein solches bewußtes Tun ändert nichts an der ”Verhülltheit“ des Todes, da er zugleich ”Abbruch von außen“, das Ereignis radikalster Entmächtigung der Person ist. – b) Das Überleben des Todes. Unabhängig davon, ob die Unsterblichkeit der Seele als natürliche, mit ihrem geistigenWesen gegebene betrachtet wird (eine Anschauung von Platon her, die zunehmend aufgegeben wird) oder ob sie dialogisch als Erhaltenwerden durch Gott verstanden wird, ist davon auszugehen, daß der T. den Menschen als ganzen an Leib u. Seele betrifft. Wenn diese beiden Komponenten mit der kirchlichen Tradition als ”Teilsubstanzen“ aufgefaßt werden, die zu ihrer Existenz auf einander angewiesen sind, dann kann nach Rahner die Seele im T. nicht einfach ”leiblos“ werden. Er schlug zunächst vor, vom Gewinnen einer neuen Leiblichkeit im T., einem neuen ”Materiebezug“ der Seele, auszugehen. In der weiteren Entwicklung des Gedankens wurde daraus, von manchen anderen positiv aufgenommen, die Überlegung, ob diese Verwandlung des ”Materiebezugs“ durch Gott nicht auch die leibliche Vollendung des Individuums, wenn auch nicht die erhoffte Vollendung der Menschheitsgeschichte u. der Schöpfung, sein u. ”Auferstehung im T.“ genannt werden könne. – c) Der T. als Folge der Sünde. Obwohl Rahner sich nicht ausdrücklich mit den Problemen einer kollektiven Verhängung des Todes als Strafe durch Gott auseinandersetzte, wollte er nicht den T. als solchen, sondern seine konkrete Gestalt u. vor allem seine ”Verhülltheit “ auf die Sünde in der Welt zurückführen. Es ist dem Menschen als Person grundsätzlich möglich, sein Lebensende in der Gnade Gottes in gläubiger Bereitschaft für den unbegreiflichen Gott offenzuhalten oder sich in Verzweiflung u. Rebellion dieser Hoffnung zu verweigern u. dem T. selber damit Schuldcharakter zu geben.
4. Ethische Fragen. Der T. beschäftigt die theol. Ethik in mehrfacher Hinsicht. Das Bewußtsein nimmt überhand, daß die stereotype Formel, Gott sei der alleinige Herr über Leben u. T., in einem fundierten Gottesverständnis nicht Bestand haben kann, wenn Gott nicht als innerweltlich wirkende Ursache, sondern als transzendenter Grund aller Wirklichkeit begriffen wird. Gottes Wille ist die Befähigung zur Möglichkeit von Leben u. T., aber die Menschen sind ihrerseits befähigt, diese Möglichkeiten verantwortlich als konkrete Ursachen zu realisieren. Das hat nicht nur zur Folge, daß der einzelne T. nicht mehr als Hinrichtung durch Gott (oft verbrämt als ”Heimholung“) bezeichnet werden kann. Es führt auch zu neuen Überlegungen hinsichtlich der Selbsttötung u. der Sterbehilfe, die jedoch keineswegs zu einem ethischen Konsens in den christlichen Kirchen geführt haben. Konsensfähig ist jedoch die Überzeugung, daß Gesellschaft u. Staat kein Recht zum Töten haben u. dieses auch nicht straffrei einräumen können. Die archaischen Vorstellungen, der Verbrecher habe sein Leben ”verwirkt“ u. sein T. durch die Todesstrafe sei eine ”Sühne“, sind unter vernunftbegabten Menschen nicht mehr konsensfähig.
2. Der Tod Jesu. Das Sterben Jesu als Zugang auf seinen T. hat einen doppelten Aspekt: Zum einen ist es passiv erlittene Folge von Verurteilung, Folter u. Kreuzigung, also ein Jesus ”von außen“ zugefügtes Widerfahrnis, zum andern ist es ein bewußtes, personales Tun, da Jesus bewußt war, daß er die Priesterhierarchie am Tempel bis zum äußersten provoziert hatte, da er die Konsequenzen seiner Gottesverkündigung bis zum Ende auf sich nehmen wollte (sein ”Gehorsam“ nach Phil 2, 8), da er in der Vorausdeutung seines Todes beim Abendmahl seinen Willen aussprach, sein T. möge ”vielen“ zugute kommen, u. da er das ihm verbliebene Leben vertrauensvoll in die Hände des Vaters legte (Lk 2, 46). Zweifellos gehörte Jesus zu jenen frommen Juden, die sich darauf verließen, daß GottesMacht nicht an der Grenze des Todes endet, so daß er (gemäß der Psalmenfrömmigkeit, vor allem in Ps 16; 49; 73) erwartete, daß der Gott der Lebendigen u. nicht der Toten (Mt 22, 31 f.) ihn aus dem T. erretten würde. In diesem Vertrauen nahm er den T. aller lebendigen Kreaturen auf sich. Sein Vater bezeugte die Annahme dieses Tuns in der Auferweckung aus dem T. (Auferstehung Jesu ). Zweifellos sah eine Traditionslinie schon vom NTan Sterben u. T. Jesu als stellvertretende Sühne für die ”Sünde der Welt“, einflußreich auch für die ev. Theologie des Kreuzes. Diese theol. Deutung ist jedoch nicht die einzig mögliche u. ist wegen des ihr zugrundeliegenden ”Gottesbildes“ großen Mißverständnissen ausgesetzt (von dem Eindruck, Gott sei rachsüchtig u. blutgierig bis zur leichtfertigen Berufung auf eine ”billige Gnade“). Der T. Jesu kann auch als ”Sakrament“ verstanden werden, weil in ihm das ”Bezeichnete“, der alle Menschen umfassende [c darkviolet]Heilswille Gottes , in einem greifbaren ”Zeichen“ – Leben, Sterben u. Auferwekkung Jesu als Einheit in einem radikalen Sein-für-andere gesehen – geschichtlich gegenwärtig u. wirksam wird.
3. Eine erneuerte Theologie des Todes ist ohne Zweifel zu einem guten Teil K. Rahner († 1984) zu verdanken. Einflußreich waren seine seit 1958 vorgetragenen Gedanken: a) Das anthropologische Geschehen beim T. Unter Aufnahme von Gedanken bei R. M. Rilke († 1926) u. M. Heidegger († 1976) über den ”eigenen T.“ u. den T. als Tat wies Rahner darauf hin, daß die menschliche Fähigkeit, in Freiheit über sich selber zu verfügen, nicht einfach angesichts des Todes kapitulieren u. vergehen darf, sondern daß ein Mensch seinen T. im Glauben verstehen darf als Ende des Prozesses, in dem die geistige Person sich ”auszeitigt“ u. ”auszeugt“ u. durch Gott zu ihrer Endgültigkeit u. Vollendung zu kommen hofft. Wie bei Heidegger setzt Rahner den T. als Tat nicht im Moment des Exitus an, sondern in einem durch das Leben hindurch bewußt übernommenen u. bejahten Hingang zum Ende. Ein solches bewußtes Tun ändert nichts an der ”Verhülltheit“ des Todes, da er zugleich ”Abbruch von außen“, das Ereignis radikalster Entmächtigung der Person ist. – b) Das Überleben des Todes. Unabhängig davon, ob die Unsterblichkeit der Seele als natürliche, mit ihrem geistigenWesen gegebene betrachtet wird (eine Anschauung von Platon her, die zunehmend aufgegeben wird) oder ob sie dialogisch als Erhaltenwerden durch Gott verstanden wird, ist davon auszugehen, daß der T. den Menschen als ganzen an Leib u. Seele betrifft. Wenn diese beiden Komponenten mit der kirchlichen Tradition als ”Teilsubstanzen“ aufgefaßt werden, die zu ihrer Existenz auf einander angewiesen sind, dann kann nach Rahner die Seele im T. nicht einfach ”leiblos“ werden. Er schlug zunächst vor, vom Gewinnen einer neuen Leiblichkeit im T., einem neuen ”Materiebezug“ der Seele, auszugehen. In der weiteren Entwicklung des Gedankens wurde daraus, von manchen anderen positiv aufgenommen, die Überlegung, ob diese Verwandlung des ”Materiebezugs“ durch Gott nicht auch die leibliche Vollendung des Individuums, wenn auch nicht die erhoffte Vollendung der Menschheitsgeschichte u. der Schöpfung, sein u. ”Auferstehung im T.“ genannt werden könne. – c) Der T. als Folge der Sünde. Obwohl Rahner sich nicht ausdrücklich mit den Problemen einer kollektiven Verhängung des Todes als Strafe durch Gott auseinandersetzte, wollte er nicht den T. als solchen, sondern seine konkrete Gestalt u. vor allem seine ”Verhülltheit “ auf die Sünde in der Welt zurückführen. Es ist dem Menschen als Person grundsätzlich möglich, sein Lebensende in der Gnade Gottes in gläubiger Bereitschaft für den unbegreiflichen Gott offenzuhalten oder sich in Verzweiflung u. Rebellion dieser Hoffnung zu verweigern u. dem T. selber damit Schuldcharakter zu geben.
4. Ethische Fragen. Der T. beschäftigt die theol. Ethik in mehrfacher Hinsicht. Das Bewußtsein nimmt überhand, daß die stereotype Formel, Gott sei der alleinige Herr über Leben u. T., in einem fundierten Gottesverständnis nicht Bestand haben kann, wenn Gott nicht als innerweltlich wirkende Ursache, sondern als transzendenter Grund aller Wirklichkeit begriffen wird. Gottes Wille ist die Befähigung zur Möglichkeit von Leben u. T., aber die Menschen sind ihrerseits befähigt, diese Möglichkeiten verantwortlich als konkrete Ursachen zu realisieren. Das hat nicht nur zur Folge, daß der einzelne T. nicht mehr als Hinrichtung durch Gott (oft verbrämt als ”Heimholung“) bezeichnet werden kann. Es führt auch zu neuen Überlegungen hinsichtlich der Selbsttötung u. der Sterbehilfe, die jedoch keineswegs zu einem ethischen Konsens in den christlichen Kirchen geführt haben. Konsensfähig ist jedoch die Überzeugung, daß Gesellschaft u. Staat kein Recht zum Töten haben u. dieses auch nicht straffrei einräumen können. Die archaischen Vorstellungen, der Verbrecher habe sein Leben ”verwirkt“ u. sein T. durch die Todesstrafe sei eine ”Sühne“, sind unter vernunftbegabten Menschen nicht mehr konsensfähig.