Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Theologie
   (griech. = Rede über Gott), ein aus der griech. Antike stammender Begriff, der vor allem die hymnische, mythische u. philosophische Rede von Gott bezeichnete. Es ist hier nicht möglich, auf die unterschiedlichen Konzeptionen (auch konfessionellen Unterschiede), Problemstellungen u. die höchst komplexe Geschichte der Th. einzugehen. Lediglich kurz kann der Begriff der kath. Th. umschrieben werden (vgl. Rahner-Vorgrimler 1961, 352 f.). Th. ist ihrem Wesen nach das ausdrücklich bemühte Hören des glaubenden Menschen auf die eigentliche, geschichtlich ergangene Wortoffenbarung Gottes und das wissenschaftlich methodische Bemühen um ihre Erkenntnis u. die reflektierende Entfaltung des Erkenntnisgegenstandes. Ihr ”Gegenstand“ ist also nicht Gott. Th. setzt die Wortoffenbarung voraus, läßt sich aber nicht adäquat von ihr abgrenzen, weil diese Offenbarung selber schon ein Wissen von begrifflicher u. satzhafter Art als Moment in sich hat, das als solchesMoment des Glaubens u. seiner verantwortbaren Verkündigung zur weiteren Entfaltung, Reflexion u. Konfrontation mit anderen Erkenntnissen treibt u. von sich her die Reflexion möglich macht (= ”Gottes Wort im Menschenwort“). Erst recht besteht, ebenso wie zwischen vorwissenschaftlicher u. wissenschaftlich methodischer Erkenntnis im allgemeinen, keine feste Grenze zwischen vorwissenschaftlicher u. wissenschaftlich methodischer Glaubenserkenntnis.   1. Die Th. als Glaubenswissenschaft. Die Th. geht davon aus, daß das Wort Gottes wegen des Heils der Menschen erging; um der Menschen willen bemüht sie sich also um ein richtiges Hören des Wortes Gottes, dem sie letztlich dienen will. Sie ist an dieses geoffenbarteWort gebunden, so wie es durch den Glaubenssinn der Glaubenden seine Gegenwart in der Kirche hat, die durch ihr Lehramt im ständigen Blick auf die [c darkviolet]Heilige Schrift die ihr überkommene Offenbarung bewahrt u. auslegt. Daher ist Th. eineWissenschaft, die Glauben u. Kirche voraussetzt. Insofern es sich konkret um christliche Th. handelt, ist der Gegenstand der Th. die Offenbarung des Gottes, der sich selber in seinem Wort (Jesus Christus ) u. in seinem Heiligen Geist den Menschen kundgeben wollte u. will u. sich in seiner Gnade selber den Menschen mitteilt (Selbstmitteilung Gottes ). Zu diesem Gegenstand der Th. gehören also Akt u. ”Inhalt“ des christlichen u. kirchlichen Glaubens, der in methodischer Reflexion untersucht wird. Daß diese Reflexion glaubend vor sich geht, nimmt ihr den Charakter der Wissenschaftlichkeit nicht, denn ein absolutes Engagement kann durchaus vereinbar sein mit einer kritischen Reflexion auf dieses Engagement, die nichts von vornherein aus der kritischen Frage ausschließt. Als Moment der Kirche hat die Th. eine kritische Funktion gegenüber der Kirche, ihrem Glauben u. ihrer Praxis. Eine tiefere u. breitere Kenntnis der Th. hat ”natürliche“ (theol. gesprochen: immer auch aus der Gnade Gottes hervorgehende) Voraussetzungen, die nicht überall in der Kirche gegeben sind u. die auch nicht notwendig in allen Amtsträgern vorhanden sein müssen. Die Th. ist Gabe des Geistes (Charisma) u. so außerhalb u. innerhalb des Amtes zu finden. Die wissenschaftliche Reflexion der Th. hat heute so viele wissenschaftstechnische Vorbedingungen, daß sie notwendigerweise von ”Experten“ u. ”Expertinnen“ getragen sein muß.
   2. Der Wissenschaftscharakter der Th. Das methodisch gelenkte Bemühen um die Erkenntnis eines in sich einheitlichen Gesamtgegenstandes ist als Wissenschaft anzusprechen, wenn auch die primäre Gegebenheitsweise ihres Gegenstandes, die Ausgangsprinzipien u. teilweise auch die Methoden der Erforschung des Gegenstandes anders sind als bei den profanen Wissenschaften (in der Wissenschaftsdiskussion zeichnet sich aber ein Konsens darüber ab, daß nicht nur dort ”Wissenschaft“ gegeben ist, wo sich eine Forschung experimentell verifizierbaren Tatbeständen zuwendet). Insofern die Offenbarung Gottes einem Menschen vermittelt u. von ihm verstanden werden soll, der von bestimmten Vorgegebenheiten geprägt ist, muß diese Vermittlung immer u. notwendig profane Erkenntnisse u. Methoden einsetzen, die diesen Vorgegebenheiten entsprechen: Logik, Philosophie, das einer bestimmten Zeit gemäße ”Weltbild“ samt seinen human- u. naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. So trägt Th. unvermeidlich eine historische Zeitsignatur, ohne sich darum einfach dem innerweltlichen Wissen des Menschen unterzuordnen, ohne zu einem ”System“ im geschichtlichen, relativistischen Sinn zu werden. Insofern das Wort Gottes, auf das die Th. hört, das Wort ist, das den ganzenMenschen betreffen u. engagieren will, kann die Th. nie bloß theoretische, das heißt existentiell nicht beteiligte Wissenschaft sein. Sie muß meditative u. kerygmatische Th. sein, um ihrem Gegenstand zu entsprechen u. so wissenschaftliche Th. zu werden. Insofern sie immer das Hören u. Verstehenwollen eines Menschen mit einer innerweltlichen, geschichtlich bedingten Erfahrung ist, die sich als Bedingung des Hörens im Akt der Th. auswirken muß, ist die Konfrontierung der Botschaft des Evangeliums mit dem Weltverständnis des jeweiligen Menschen ein inneres Moment an der Th. selber. Durch ihren Glaubensbezug ist die Th. eine praktische Wissenschaft, in dem Sinn, daß sie auf die Praxis der Hoffnung u. der Liebe ausgerichtet ist (die ihrerseits ein Moment an Erkenntnis an sich tragen, das außerhalb ihrer gar nicht gegeben ist). ”Orthodoxie“ u. ”Orthopraxie“, das heißt richtiger Glaube u. richtige Praxis, bedingen sich gegenseitig in einer ursprünglichen Einheit. Th. ist nicht bloß auf das private Heil u. die religiöse Innerlichkeit des einzelnen Menschen bezogen, sondern muß in allen ihren materialen Bezirken die gesellschaftliche Relevanz ihrer Aussagen bedenken (Theorie und Praxis ). Weil in keiner Wissenschaft der Abstand zwischen der Aussage u. dem Ausgesagten, dem ausdrücklich Ausgesagten u. dem Gemeinten, dem Ergriffenen u. dem ergreifenden Geheimnis so groß sein kann wie hier, ist es nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht der Th., die Erfahrung dieses Abstands immer schärfer werden zu lassen u. den Menschen aus der (scheinbaren) Klarheit der Begriffe heraus in die Dunkelheit des Geheimnisses zu verweisen. Die Th. des immer größeren Gottes als der einzigen absoluten Zukunft, der alle innerweltlichen Ansätze u. Systeme unendlich übersteigt, ist keine Ideologie, sondern deren radikalste Kritik. Da die Sache der Th. reflex u. satzhaft nie anders als in dem offenbarenden Wort darüber gegeben sein kann, ist der Rückgriff auf die Geschichte der Aussage, also auf ihre eigene Geschichte, ein inneres Moment an der Th. Durch diese ständige Bezogenheit auf einmalige geschichtliche Ereignisse, auf geschichtliches Hören u. Verstehen ist Th. Geschichtswissenschaft mit wesentlichem Zukunftsbezug, da das Geschichtliche in der Th. Verheißungscharakter hat. Mit diesem Gesagten ist gegeben, daß die eine Th. in ihrer geschichtlich bedingten Entfaltung sich heute als Biblische, Historische, Systematische u. Praktische Th. in Einheit u. Vielfalt zugleich präsentiert.
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