Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Sündenmystik
   bezeichnet eine Auffassung, wonach radikal böse Sünde u. Schuld in der menschlichen Entwicklung notwendig seien, einen legitimen ”Selbstvollzug“ des Menschseins darstellten u. Gott die Möglichkeit gäben, gnädig u. barmherzig zu sein. So dürfe ein Mensch die Sünde als positives Moment seines Lebens von vornherein einkalkulieren. Eine solche Auffassung wurde in der Literatur (z. B. bei G. Greene † 1991) u. im Lebensgefühl des 20. Jh. wiederholt vertreten. Nach Paulus ist zwar die begangene Sünde von Gottes immer größerem Erbarmen umfangen (Röm 11, 32), doch darf der glaubende Mensch keinesfalls sündigen, um Gott zur Gnade zu bewegen (Röm 6, 1 f.). Gegen die S. ist einzuwenden, daß mit ihr ein endlicher Mensch seine Situation gleichsam vom Standpunkt Gottes aus sieht u. plant, u. daß kein Gutes existiert, das vom Menschen aus nur durch das Böse erreicht werden könnte. Im weiteren Sinn können Faszinationen durch das Böse in der Literatur als S. gelten, z. B. im Satanismus des 19. Jh.
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