Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Stoische Philosophie
   nach den Diskussionen in einer Säulenhalle in Athen (griech. ”stoa“) benanntes Denken, dessen erste Impulse mit Zenon von Kition († 262 v.Chr.) verbunden werden u. das durch eine eigenständige Rezeption im röm. Bereich große Geltung erlangte, durch Cicero († 43 v.Chr.), Seneca († 65 n.Chr.) u. Kaiser Mark Aurel († 180). Schon in der ersten Epoche der St. Ph. galt es als Ziel des menschlichen Lebens, entsprechend der Vernunft u. der Natur gemäß zu leben. Anknüpfend am Denken des Sokrates über die Tugenden erklärte die St. Ph. die Tugend, die dann entstehe, wenn ein Mensch Gewißheit über die Vernunftstruktur des Kosmos u. des Menschen gewonnen habe, zur Grundlage allen Glücklichseins. EinMensch muß sich, im Interesse der Erhaltung seines Lebens, die eigene vernünftige Natur aneignen durch jene Tugend, die ihn frei macht von Affekten (Apathie). Reichtum u. Gesundheit sind Werte, die erstrebt werden können, ihrer Eigenart nach aber Adiaphora, die mit Tugend nichts zu tun haben. Vernunft- u. naturgemäßes Verhalten ergibt sich aus entsprechender richtiger Einsicht: ”Lohn der richtigen Tat ist es, sie getan zu haben“ (Seneca). Darin war die St. Ph. für eine spätere Ethik der Pflicht einflußreich, ebenso dieMaxime der Selbsterhaltung. Mit anderen Ansichten der St. Ph. setzten sich altkirchliche Theologen auseinander (Logos-Feuer-Spekulation, monistischer Materialismus, der den Logos als aktives göttliches Prinzip in der Materie ansah, deterministisches Denken über den Weltprozeß, mögliche Ewigkeit des Kosmos). Die altkirchlichen Spekulationen über den göttlichen Logos sind ohne Kenntnis der St. Ph. nicht zu verstehen. Sie rezipierten die Idee des Logos-Samens (”logos spermatikos “), der in der individuellen Seele existent u. in der vorchristlichen Menschheit heilswirkend anwesend sei. Augustinus († 430) vermittelte stoische Gedanken an das Mittelalter. Die St. Ph. selber endete im 3. Jh.; ihr Erbe trat der Neuplatonismus an.
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