Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Selbstbewußtsein
   das in der Reflexion (= Rückwendung) entstehende Bewußtsein eines Ich, das sich selber gegenwärtig ist (Ichbewußtsein) u. sich nicht nur auf seine ”Gegenstände“ u. auf die Erkenntnisvorgänge, die auf diese gerichtet sind, bezieht. Wenn das Ichbewußtsein sich selber gegenwärtig ist, begreift das Ich ausdrücklich seine Verschiedenheit von allem anderen (von allem, was nicht Ich ist). Auf platonischer Basis ist bei Augustinus († 430) das S. der Einheitsgrund allen Bewußtseins. Für Thomas von Aquin († 1274) besteht der Selbstvollzug des menschlichen Geistes in der vollendeten Rückkehr des Geistes in sich selber (”reditio completa intellectus in se ipsum“). R. Descartes († 1650) sah im S. eine Gewißheit, die gegen alle Zweifel gesichert ist. Im deutschen Idealismus (besonders bei I. Kant †1804) wird das S. als ein Akt der Vernunft verstanden, in dem das Ich die Synthese zwischen dem wissenden Subjekt u. dem gewußten Objekt ist (sich als Subjekt u. Objekt seiner Reflexion zugleich weiß). Da das Subjekt in der Reflexion der Vernunft sich einen ausdrücklichen Begriff von sich selber bildet, ist das S. gleichzeitig Selbstbestimmung (Herstellung der Identität mit sich selber bei G. W. F. Hegel †1831). Eher als diese philosophischen Überlegungen spielen psychologische Erörterungen im Gespräch von Theologie u. Naturwissenschaften eine Rolle, wenn es um die Unterscheidung des spezifisch Menschlichen vom Tierischen geht. Die Unterscheidung des menschlichen Ich von seiner Umwelt geschieht, indem der Mensch Selbstgefühl u. Selbstwert entwickelt u. sein Leben selber organisiert (das S. als Zentrum der gesteuerten Verhaltensstrategien ist der empirischen Untersuchung zugänglich).
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