Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Schulen
   , theologische Schulen   Mit Sch. ist zunächst das Faktum gemeint, daß in der Geschichte der Theologie verschiedene Sch. auftraten u. auftreten (Alexandrinische, Antiochenische Theologenschule , [c darkviolet]Augustinismus, Thomismus, Skotismus; in der ev. Theologie z. B. lutherische, reformierte Theologie, Schleiermachers Theologie, Liberale Theologie , Dialektische Theologie usw.). Das Faktum als solches wirft die Frage nach der Berechtigung u. den Grenzen von Schulbildungen in der Theologie auf. (Im Bereich der kath. Kirche ist zu konstatieren, daß die bevorzugte Empfehlung der Philosophie u. Theologie Thomas von Aquins †1274 nie bedeutete, daß sich das kirchliche Lehramt mit dessen Schule identifizierte.) Zur Beantwortung der Frage können folgende Gedankengänge K. Rahners († 1984) dienen: Die Wahrheitserkenntnis des Menschen ist geschichtlich (Geschichtlichkeit), d. h., obwohl das Ganze der Wirklichkeit ”an sich“ seiner Erkenntnis zugänglich ist, geschieht sein konkreter Zugang immer nur aus einer bestimmten endlichen, geschichtlich bedingten Perspektive, bei der ihm Begriffe, Fragestellungen, ja auch selbstverständliche bloße Meinungen vorgegeben sind. Die Offenbarung Gottes erging selber geschichtlich in geschichtlich bedingten Gestalten, daher kann ein Mensch sie gar nicht anders als in geschichtlich bedingter Form vernehmen u. verstehen (diese Auffassung ist nicht mit theol. Relativismus zu verwechseln). Es gibt nur ”objektives“, verstehendes Hören, wenn die Botschaft auf die ”Subjektivität“ des Hörenden trifft u. dieser bereit ist, sich in seiner bedingten Situation durch sie verändern zu lassen. Wo sich mehrere oder vieleMenschen über ein gemeinsames Verstehen verständigen, meist unter Anleitung durch eine an Befähigung herausragende Lehrperson, u. wo sie ihre Einsichten wissenschaftlich-methodisch reflektieren, da entsteht eine theol. Schule. Daß es innerhalb der einen Kirche mehrere oder viele geschichtlich, sozio-kulturell u. individuell bedingte, endliche Weisen des Hörens u. der Akzeptanz der Offenbarung Gottes gibt, ist nach dem II. Vaticanum legitim (LG 23 ; UR 14 , 16 u. ö.). Nach kath. Überzeugung gehört es zur Kompetenz des Lehramts in der Kirche, zum Schutz der Identität der Kirche zu beurteilen, ob bei einem Verstehensvorgang die Übereinstimmung mit der apostolischen Botschaft des Anfangs gewahrt ist, u. zum Schutz der Einheit der Kirche zu prüfen, ob sich die Lehre einer bestimmten Schule in Übereinstimmung mit dem allgemein verständlichen Glaubensbekenntnis der Kirche befindet. Deshalb ist von den Anhängern einer Schule zu erwarten, daß sie selbstkritisch in Loyalität zur Kirche diese Maßstäbe akzeptieren u. ihre Subjektivität in Korrelation u. in einen Dialog mit diesen ”objektiven“ Größen zu bringen versuchen. Dabei versteht sich von selbst, daß sich ein adäquates ”System“ aller Verständnisweisen der Kirche als ganzer zu allen Zeiten nicht erstellen läßt. Die Ablehnung der Vielzahl theologischer Sch., der Geschichtlichkeit der Wahrheit u. des theol. Pluralismus, der weit über die alten theol. Sch. hinausgeht, ergibt sich aus dem fundamentalistischen Hochmut, der behauptet, die ewige Wahrheit überzeitlich, unabhängig von allen geschichtlichen Bedingtheiten zu besitzen (Fundamentalismus) .
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