Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Schöpfungslehre
in der Theologie bespricht folgende Themenkreise: 1) Das mögliche u. aktuelle Verhältnis Gottes zum Nichtgöttlichen (warum ist überhaupt etwas u. nicht vielmehr nichts?), 2) die Erschaffung alles dessen, was nicht Gott ist, aus dem Nichts u. die Kontingenz alles Geschaffenen, 3) die Kreatürlichkeit des Menschen, 4) das Verhalten Gottes gegenüber dem konkreten Geschaffenen (Erhaltung der Welt, Vorsehung). In der traditionellen Theologie steht die Sch. als dogmatischer Traktat nach der theologischen Gotteslehre über den einen u. dreieinen Gott. Die erneuerte Theologie sieht die Sch. in enger Zusammengehörigkeit mit der theol. Anthropologie: Die Kreatürlichkeit des Nichtgöttlichen kommt im Menschen zu sich selber u. führt zur Einsicht in eine dialektische Haltung der Kreatur Mensch gegenüber ihrem Schöpfer: Auf der einen Seite die Kontingenzerfahrung einer restlosen Abhängigkeit von Gott, auf der anderen Seite die vor Gott verantwortliche Selbständigkeit (Autonomie) der Kreatur. Die Sch. macht die Offenbarung Gottes u. die Glaubenstradition der Kirche zum Gegenstand ihrer Reflexion; sie geht daher vomwirksamen Willen Gottes zu seiner Selbstmitteilung an die Kreatur aus, setzt also mit dem Thema der Gnade an, u. befaßt sich nur insofern mit dem ”Natürlichen “, als dieses, abstrakt gesehen, dasjenige umfaßt, was der Schöpfer seinem Geschöpf ”schuldet“, wenn er es denn überhaupt erschafft (Natur als theol. Restbegriff). Konkret kommt die Kreatur ohne existentiellen Bezug zu Gott u. ohne Anruf der Gnade nicht vor. Eine historisierende Betrachtung: Zustand der Schöpfung vor dem Sündenfall – die Ursünde – die Schöpfung u. Menschheit nach dem Fall wird dem apriorisch gnadenhaften Verhältnis Gottes zum Nichtgöttlichen nicht gerecht. In neuester Zeit bezieht die Sch. die Thematik der nichtmenschlichen Kreatur (Verantwortung gegenüber dem Planeten Erde, möglicherweise gegenüber dem Universum, gegenüber der Tier- u. Pflanzenwelt: Ökotheologie) vermehrt ein. Schöpfungsmythen und biblische Schöpfungserzählungen. 1. Die religiöse Frage nach der Schöpfung u. schöpferischen Mächten führte in der biblischen Umwelt zu Schöpfungsaussagen in der Gestalt des Mythos . Umfangreiche Texte in sumerischer Sprache zeigen seit Mitte des 3. Jahrtausends v.Chr. Vorstellungen einer vielköpfigen Götterwelt u. einer ”Theogonie“ (griech. = das Werden von Göttern, vor allem durch Zeugung), bei der Göttinnen u. Götter für Himmel, Erde u. Meer zuständig waren. Der Luftgott Enlil trennte Himmel u. Erde. Bei den Akkadern trat in dem Epos ”Enuma elisch“ (um 1100 v.Chr.) an dessen Stelle der babylonische Stadtgott Marduk, der die Urmeergöttin Tiamat tötete, aus ihrem Leib Himmelsgewölbe u. Erde errichtete u. damit die dämonischen Chaosfluten besiegte. Wie bei den Sumerern wird der Mensch aus der großen Flut gerettet, er soll auf Marduks Befehl Fronarbeit für die Götter leisten. Nach sumerischem u. babylonischem Glauben soll ein König in einer heiligen Stadt die weiter von den Chaosmächten bedrohteWelt verteidigen u. zwischen Göttern u. Menschen vermitteln. In den ägyptischen Mythologien wirkt jeweils nur eine Gottheit schöpferisch. Eine aus sich selber entstandene Gottheit bringt aus einem Urzustand das vielfach Differenzierte hervor. Dieses Schöpfungswerk muß wiederholt u. bestätigt werden; beim Sonnenaufgang, an Neujahr u. bei Erneuerung des Königtums. Mißlingt diese Wiederholung, dann kehren Schöpfung u. Schöpfer in den Anfangszustand zurück. In der Mythologie von Heliopolis verkörpern die Gottheiten Nun u. Amun das Chaos der Vorzeit. Aus ihm ersteht der Stadtgott Atum als Ur-Hügel, der die Menschen in ihrer Zweiheit als sein Ebenbild hervorbringt u. ihnen die Welt als Heimat bildet. Die Mythologie von Hermupolis erzählt die Schöpfung mit Bildern von Frosch, Schlange, Kuh, Ur-Ei u. Lotuspflanze. Nach dem Mythos von Theben schwebt der Stadtgott Amun als Vogel über der Chaoswelt u. wirkt durch sein Rufen schöpferisch. Der Wassergott Chnum bildet den Menschen aus Lehm. Nach dem Mythos von Memphis (um 700 v.Chr.) war der Gott Ptah nach einem in seinem Inneren ersonnenen kunstvollen Programm schöpferisch tätig u. ruhte nach der Vollendung, so daß hier die Schöpfung nicht in einem weitergehenden Prozeß besteht.
2. Das AT enthält zwei Schöpfungserzählungen, die ältere Gen 2, 4b-24 u. die jüngere Gen 1, 1 – 2, 4a (die weiter in Gang befindliche Diskussion über Alter u. Quellen hat noch kaum zu einem Konsens geführt). Zu ihrem Kontext: Urgeschichte. Die Erzählungen stehen offenbar in bewußtem Kontrast zu den Schöpfungsmythen der Umwelt, kommen aber ohne deren Vorstellungsmaterial nicht aus. Der Gott der biblischen Offenbarung ist nicht das Produkt einer Theogonie. Seine Einzigartigkeit gegenüber der antiken Göttervielfalt zeigt sich auch darin, daß keine für Einzelheiten der Schöpfung zuständigen Gottheiten oder göttlichen Kräfte auftauchen; auch die anderswo verehrten Gestirne mit Sonne u. Mond werden einfach als erschaffene Leuchten vorgestellt. Mehr als in Gen 1–2 zeigen andere Texte des AT , daß Gottes Schöpfertätigkeit dem Kampf gegen die Chaosmächte u. der Errichtung einer Ordnung galt (Ps 18; 68; 104; Ijob 38–41; Jes 51, 9 f. u. ö.). Diese war von Gott (”anthropozentrisch“) zugunsten des entsprechend mancher Umweltideen aus Ackerlehm geformten ersten Menschen errichtet worden. Die Erschaffung der Eva aus Adam weist unmißverständlich nicht nur auf die selbstverständliche gleiche ”Würde“, sondern auf ihre Gleichberechtigung in allen Bereichen der Schöpfung hin. Der Bewahrung dieser ”gut“ gelungenen Schöpfung galt die Beauftragung beider Menschen in ihrer Gottebenbildlichkeit. Ihre Verurteilung zu mühseliger Arbeit ist erst Folge ihrer Ursünde u. hat mit einer Bestellung zu dienstbarer Fronarbeit nichts zu tun. Die symmetrische u. rhythmische Komposition der biblischen Schöpfungserzählungen zeigt, daß sie (wenigstens in der jetzigen Form nachexilisch) zur Verwendung in der Liturgie erarbeitet wurden.
2. Das AT enthält zwei Schöpfungserzählungen, die ältere Gen 2, 4b-24 u. die jüngere Gen 1, 1 – 2, 4a (die weiter in Gang befindliche Diskussion über Alter u. Quellen hat noch kaum zu einem Konsens geführt). Zu ihrem Kontext: Urgeschichte. Die Erzählungen stehen offenbar in bewußtem Kontrast zu den Schöpfungsmythen der Umwelt, kommen aber ohne deren Vorstellungsmaterial nicht aus. Der Gott der biblischen Offenbarung ist nicht das Produkt einer Theogonie. Seine Einzigartigkeit gegenüber der antiken Göttervielfalt zeigt sich auch darin, daß keine für Einzelheiten der Schöpfung zuständigen Gottheiten oder göttlichen Kräfte auftauchen; auch die anderswo verehrten Gestirne mit Sonne u. Mond werden einfach als erschaffene Leuchten vorgestellt. Mehr als in Gen 1–2 zeigen andere Texte des AT , daß Gottes Schöpfertätigkeit dem Kampf gegen die Chaosmächte u. der Errichtung einer Ordnung galt (Ps 18; 68; 104; Ijob 38–41; Jes 51, 9 f. u. ö.). Diese war von Gott (”anthropozentrisch“) zugunsten des entsprechend mancher Umweltideen aus Ackerlehm geformten ersten Menschen errichtet worden. Die Erschaffung der Eva aus Adam weist unmißverständlich nicht nur auf die selbstverständliche gleiche ”Würde“, sondern auf ihre Gleichberechtigung in allen Bereichen der Schöpfung hin. Der Bewahrung dieser ”gut“ gelungenen Schöpfung galt die Beauftragung beider Menschen in ihrer Gottebenbildlichkeit. Ihre Verurteilung zu mühseliger Arbeit ist erst Folge ihrer Ursünde u. hat mit einer Bestellung zu dienstbarer Fronarbeit nichts zu tun. Die symmetrische u. rhythmische Komposition der biblischen Schöpfungserzählungen zeigt, daß sie (wenigstens in der jetzigen Form nachexilisch) zur Verwendung in der Liturgie erarbeitet wurden.