Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Satisfaktionstheorie
(lat. ”satisfactio“ = Genugtuung). Leben u. Sterben Jesu Christi wurden in der theol. Meditation u. Interpretation unter den unterschiedlichsten Aspekten betrachtet u. formalisiert. Zu diesen Vorgängen gehört die Deutung komplexer Verhaltensweisen Jesu vor allem gegenüber seinem Tod am Kreuz als Akt, als sühnendes Opfer, als Friedensstiftung zwischen Gott u. Menschheit (hierfür existieren ntl. Zeugnisse in verschiedenartigem Kontext: Erlösung). Anselm von Canterbury († 1109) analysierte diese ”Tat“ Jesu Christi genauer unter einem formalen Gesichtspunkt. Als freier, sittlicher Tat des Gehorsams u. der Liebe sprach er ihr einen ”unendlichen“ sittlichenWert zu. Hintergrund dafür war die aus Anselms Kulturkreis stammende Vorstellung, daß die sittliche Qualität einer Tat sich nicht nur aus dem konkreten Geschehen, aus dem Inhalt der Tat, ergibt, sondern auch aus der Würde der Person, die diese Tat setzt. Für Anselm war jene Tat Jesu Christi die Tat des göttlichen Logos, des ”Gottmenschen“ u. daher von göttlich ”unendlichem“ Wert. Umgekehrt gehörte zum gedanklichen Hintergrund die Vorstellung, daß die Schuld einer negativen Tat sich nicht nur aus dem konkreten Geschehen, dem Inhalt der Tat, sondern auch aus der Würde des Betroffenen u. Verletzten ergibt. So war die Folge der Sünde Adams “ eine ”unendliche“ Schuld wegen der unendlichen Würde des beleidigten u. verletzten Gottes. Anselms Antwort auf die Frage, warum Gott Mensch geworden sei (”Cur Deus homo?“), bestand in der Auskunft, daß dadurch ein Subjekt konstituiert worden sei, das einerseits kraft seiner menschlichen Natur imstande war, stellvertretend für die Menschheit zu handeln, u. anderseits kraft seiner göttlichen Natur dem unendlich beleidigten Gott-Vater ”unendliche“ Genugtuung leisten konnte. Das Wesen der Erlösung besteht für Anselm daher darin, daß Jesus stellvertretend für die gesamte Menschheit dem Vater eine ”unendliche“ Genugtuung für die Sünde derWelt leistete. Neuere Rehabilitationsversuche Anselms, er habe das Kreuzesopfer für notwendig gehalten zur Wiederherstellung der Würde des Sünders, können die Texte selber nicht entkräften, sondern allenfalls einen ergänzenden Gesichtspunkt beibringen. Anselms Theorie wurde von der kath. Theologie u. von amtlichen Äußerungen übernommen, nicht jedoch lehramtlich verpflichtend gelehrt. Die seit Anselm in der Schultheologie vorgetragenen Erlösungsauffassungen werden in mehrfacher Hinsicht überprüft: Wie tragfähig ist der Begriff der Stellvertretung? Inwiefern kann Gott durch eine Sünde ”beleidigt“ u. in seiner Ehre verletzt werden? Was bedeutet die Würde einer Person genauer für den Wert ihres Aktes? Ist das Leiden bei dieser Genugtuung durch Jesus Christus wesentlich oder nur zufällig? Ist das Kreuz radikalster Ausdruck der Strafgerechtigkeit Gottes oder ”nur“ der Erweis seiner erbarmenden Liebe? Die Diskussion offenbart zu einem großen Teil die Neigung, die S. Anselms abzulehnen. Die Vorstellungen von Genugtuung, Sühneopfer usw. waren nur unter bestimmten kulturellen u. geistesgeschichtlichen Verhältnissen wirklich hilfreich; sie können schwere Mißverständnisse hervorrufen, als sei Gott zur Zeit Jesu der seit ”Adam“ Unversöhnte u. Zornige gewesen, als habe er nicht selber immer schon die Initiative zu Vergebung u. Versöhnung ergriffen (vgl. Röm , 25), als sei Gott durch eine Tat innerhalb der Menschheitsgeschichte ”umgestimmt “ worden.
(lat. ”satisfactio“ = Genugtuung). Leben u. Sterben Jesu Christi wurden in der theol. Meditation u. Interpretation unter den unterschiedlichsten Aspekten betrachtet u. formalisiert. Zu diesen Vorgängen gehört die Deutung komplexer Verhaltensweisen Jesu vor allem gegenüber seinem Tod am Kreuz als Akt, als sühnendes Opfer, als Friedensstiftung zwischen Gott u. Menschheit (hierfür existieren ntl. Zeugnisse in verschiedenartigem Kontext: Erlösung). Anselm von Canterbury († 1109) analysierte diese ”Tat“ Jesu Christi genauer unter einem formalen Gesichtspunkt. Als freier, sittlicher Tat des Gehorsams u. der Liebe sprach er ihr einen ”unendlichen“ sittlichenWert zu. Hintergrund dafür war die aus Anselms Kulturkreis stammende Vorstellung, daß die sittliche Qualität einer Tat sich nicht nur aus dem konkreten Geschehen, aus dem Inhalt der Tat, ergibt, sondern auch aus der Würde der Person, die diese Tat setzt. Für Anselm war jene Tat Jesu Christi die Tat des göttlichen Logos, des ”Gottmenschen“ u. daher von göttlich ”unendlichem“ Wert. Umgekehrt gehörte zum gedanklichen Hintergrund die Vorstellung, daß die Schuld einer negativen Tat sich nicht nur aus dem konkreten Geschehen, dem Inhalt der Tat, sondern auch aus der Würde des Betroffenen u. Verletzten ergibt. So war die Folge der Sünde Adams “ eine ”unendliche“ Schuld wegen der unendlichen Würde des beleidigten u. verletzten Gottes. Anselms Antwort auf die Frage, warum Gott Mensch geworden sei (”Cur Deus homo?“), bestand in der Auskunft, daß dadurch ein Subjekt konstituiert worden sei, das einerseits kraft seiner menschlichen Natur imstande war, stellvertretend für die Menschheit zu handeln, u. anderseits kraft seiner göttlichen Natur dem unendlich beleidigten Gott-Vater ”unendliche“ Genugtuung leisten konnte. Das Wesen der Erlösung besteht für Anselm daher darin, daß Jesus stellvertretend für die gesamte Menschheit dem Vater eine ”unendliche“ Genugtuung für die Sünde derWelt leistete. Neuere Rehabilitationsversuche Anselms, er habe das Kreuzesopfer für notwendig gehalten zur Wiederherstellung der Würde des Sünders, können die Texte selber nicht entkräften, sondern allenfalls einen ergänzenden Gesichtspunkt beibringen. Anselms Theorie wurde von der kath. Theologie u. von amtlichen Äußerungen übernommen, nicht jedoch lehramtlich verpflichtend gelehrt. Die seit Anselm in der Schultheologie vorgetragenen Erlösungsauffassungen werden in mehrfacher Hinsicht überprüft: Wie tragfähig ist der Begriff der Stellvertretung? Inwiefern kann Gott durch eine Sünde ”beleidigt“ u. in seiner Ehre verletzt werden? Was bedeutet die Würde einer Person genauer für den Wert ihres Aktes? Ist das Leiden bei dieser Genugtuung durch Jesus Christus wesentlich oder nur zufällig? Ist das Kreuz radikalster Ausdruck der Strafgerechtigkeit Gottes oder ”nur“ der Erweis seiner erbarmenden Liebe? Die Diskussion offenbart zu einem großen Teil die Neigung, die S. Anselms abzulehnen. Die Vorstellungen von Genugtuung, Sühneopfer usw. waren nur unter bestimmten kulturellen u. geistesgeschichtlichen Verhältnissen wirklich hilfreich; sie können schwere Mißverständnisse hervorrufen, als sei Gott zur Zeit Jesu der seit ”Adam“ Unversöhnte u. Zornige gewesen, als habe er nicht selber immer schon die Initiative zu Vergebung u. Versöhnung ergriffen (vgl. Röm , 25), als sei Gott durch eine Tat innerhalb der Menschheitsgeschichte ”umgestimmt “ worden.