Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Reliquien
   (lat. = Überreste) im kirchlich-technischen Sinn sind die Leiche (das Skelett) von Heiligen oder Teile davon (Primärreliquien), sowie Dinge, die mit ihrem Leben oder Grab Berührung hatten (Sekundärreliquien). Das Bedürfnis, Erinnerungsstücke an Tote, auch körperliche wie Haare, aufzubewahren, ist allgemein menschlich verbreitet u. stellt eine Äußerung der Liebe u. Verehrung dar. Daß es sich auch in kirchlichen Zusammenhängen äußerte (bezeugt beim Martyrium des Polykarp †156), ist verständlich. In ”gläubiger“ Sicht wird den Überbleibseln allerdings das Innewohnen der übernatürlichen Kraft des Heiligen zugeschrieben; ein guter Erhaltungszustand der Leiche gilt als Erweis besonderer Heiligkeit. Diese Auffassungen führten zu dem Glauben, die beigesetzten R. wirkten [c darkviolet]Wunder; Wallfahrten zu Heiligengräbern mit entsprechender äußerer Verehrung verbreiteten sich seit der Zeit der Kaiserin Helena († um 328). Jahrhundertelang galten die Gräber als unantastbar (Ausnahmen: ”Translationen “ von Heiligen in neue Grabstätten). Vom 9. Jh. an bis heute werden körperliche Überbleibsel den Gräbern entnommen, Skelette in kleinste Teilchen zersägt usw. Im Spätmittelalter wurden R. unter großen Kosten erworben; die Verehrung mit Ablässen gefördert. Der Export von R. aus Rom wurde seit der Entdeckung der Katakomben (seit dem 16. Jh.; nicht alle waren christliche Begräbnisstätten, aber alle Gräber galten als die von Märtyrern) enorm gesteigert. Die Aufklärung übte heftige Kritik am Reliquienwesen. Auf dem II. Vaticanum vorgetragene Forderungen, die Reliquienverehrung zu beendigen u. die R. ”ehrfurchtsvoll zu begraben“, blieben folgenlos. Das neue kath. Kirchenrecht von 1983 bleibt bei der Empfehlung, in alle Altäre R. einzumauern. Selig- u. Heiligsprechungen gelten als ”Erhebung zur Ehre der Altäre“ (Aufbrechen der Gräber, soweit vorhanden, u. Übertragung der R. in eine Kirche).
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