Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Rechtfertigung
ist ein Begriff, der in kürzester Form das vergebende Handeln Gottes am sündigen Menschen bezeichnen soll. 1. Biblisch gibt es eine Rechtfertigungslehre nur bei Paulus, der die R. u. damit die von Gott geschenkte Gerechtigkeit polemisch gegen das Gesetz (Gesetz und Evangelium ) ausspielt. Er beruft sich dabei auf Gen 15, 6 (Röm 4, 3; Gal , 6), Hab 2, 4 (Röm 1, 17; Gal , 11) u. Ps 14, 2 (Röm , 20; Gal 2, 16). Nach der Gen-Stelle erklärt Gott Abraham als gerecht auf grund seines Glaubens, doch ist weder von Gesetz noch von Sünde die Rede. Ebenso fehlen beide an der Hab-Stelle. Nach der Ps-Stelle erkennt der Beter die allgemeine Sündhaftigkeit; er spricht seine Hoffnung auf Gottes zuvorkommende Gerechtigkeit aus. Für Israel gelten Tora u. Gesetz als Geschenke der Freundlichkeit u. des Erbarmens Gottes; Israel lebt in einem tiefen Bewußtsein der Sünde u. des Versagens, doch ist die Vergebung durch Gott nirgendwo Anlaß zu einer sich selber rühmenden Selbstgerechtigkeit. Die Rettung durch die Gerechtigkeit Gottes bewirkt jeweils den Anfang eines neuen Lebens in Gerechtigkeit vor Gott. Die exegetische Untersuchung der Paulus-Texte ergab, daß am Ursprung seiner Rechtfertigungslehre seine Intention lag, den Heidenchristen nicht ”Werke des Gesetzes“ aufzuerlegen (Phil 3 u. Gal). In Röm ist er bemüht, angesichts der sündigen Schwäche des Menschen die Ohnmacht der Tora aufzuzeigen. Zentrum seine Lehre ist die R. allein durch den Glauben an Jesus Christus (Gal 2, 16). Die nachpaulinische Veränderung innerhalb des NT von den ”Werken des Gesetzes “ zu den ”guten Werken“ überhaupt kann hier außer Betracht bleiben. Die ”antipaulinische“Wendung bei Jak 2, 14 u. die Hinweise auf tätige Nächstenliebe (Jak 2, 8 16 22) lassen sich nicht als grundsätzlichen Widerspruch zu Paulus verstehen (für den der Glaube ”durch die Liebe wirksam“ wird: Gal 5, 6). Die R. wird bei Paulus nicht einfach als Vergebung der Sünden verstanden, sondern als Befreiung von der Herrschaft der personifiziert gedachten Sünde (u. zusammen mit ihr vom Tod), so daß dem Menschen neues Sein u. Leben in Freiheit geschenkt wird. Die paulinische Rechtfertigungslehre kann angesichts von Röm 9–11 u. seiner Bekräftigung der Treue Gottes gegenüber den Juden keinesfalls gegen das Judentum ausgespielt werden.
2. Systematisch. Nach einer komplexen Vorgeschichte mit einem nicht einlinigen Verständnis von Gnade – Gerechtigkeit – Barmherzigkeit – Genugtuung – Sündenvergebung stellte sich in der westlichen Theologie ein Verständnis der R. ein, wonach diese nicht einfach mit der Gnade identisch, sondern deren Wirkung u. zwar ”Gerechtmachung “ ist. M. Luther († 1546) wandte sich gegen mögliche Mißverständnisse der spätmittelalterlichen Scholastik, als könne ein Mensch sich Gerechtigkeit durch eigene Tätigkeit verschaffen. In seiner Sicht ist R. ”Gerechtsprechung“ vor dem Gericht Gottes; die Gerechtigkeit Gottes wird dem Menschen weder innerlich zu eigen noch als Geschenk von außen zuteil, sondern besteht in der gnädigen Gesinnung Gottes. Gegen dieses ”forensische“ (lat. = juristisch-gerichtliche) Verständnis der R. wandte sich das Konzil von Trient. Dessen offizielle Lehre von der R. läßt sich folgendermaßen wiedergeben: Gott schenkt in seiner vergebenden Liebe den Heiligen Geist als Geist der Gotteskindschaft, der Freiheit u. der Heiligkeit, der im Menschen Wohnung nimmt u. ihm Zeugnis von der Neuschöpfung durch das Wort des Glaubens u. durch die Zeichen der Sakramente gibt. Diese Selbstmitteilung Gottes schenkt dem Menschen eine rechtmachende, nicht nur eine juristisch anrechenbare Gerechtigkeit (nicht nur eine Imputationsgerechtigkeit), die zugleich die Vergebung der Sünden ist. DerWille Gottes zur R. ist grundsätzlich in derWelt anwesend, eschatologisch unwiderruflich u. gewiß durch die Inkarnation desWortes Gottes, Jesu Tod u. seine Auferstehung. Daß dieser Heilswille Gottes in Jesus Christus den Menschen gegeben ist, ist Gegenstand des Glaubens . Daß er gerade jeden einzelnen Menschen trotz seiner Sündigkeit, in der er sich schuldhaft, wenn auch uneingestanden der Liebe Gottes wirksam versagen kann, wirksam trifft, ist Gegenstand vertrauensvoller [c darkviolet]Hoffnung, nicht aber einer ihrer selbst sicheren Heilsgewißheit. Die Tat Gottes in der R. überspringt nicht den freien Selbstvollzug des Menschen, sondern kommt gerade in der – die Selbstmitteilung Gottes annehmenden – Freiheitstat des Glaubens, Hoffens u. Liebens zu ihrer Wirksamkeit. Darum geht diese gottgeschenkte u. angenommene Gerechtigkeit durch das schwer schuldhafte Sichversagen des Menschen gegenüber der göttlichen Liebe verloren. Insofern die R. am Menschen (als geschichtlichem Wesen) ereignishaft geschieht, ist sie ein wahrhaft radikaler Übergang vom Zustand der Sünde in den der R., so sehr der Mensch von der Sünde angefochten bleibt (Begierde, Simul iustus et peccator ). DerMensch ist einer sicheren subjektiven Reflexion über seinen Zustand vor Gott nicht fähig; er sündigt auch immer u. bleibt unter diesen Aspekten immer derjenige, der von seiner eigenen Verlorenheit zur Gnade Gottes flieht. Da der menschliche Heilsweg geschichtlich verläuft, können der R. Akte der Vorbereitung vorausgehen, die durch Gottes Gnade ermöglicht sind (wie Glaube u. ”unvollkommene “ Reue), u. kann durch Gottes Gnade die Bewahrung bzw. Mehrung der R. den Menschen immer umfassender in Anspruch nehmen (das wird in kath. Sprache dann u. a. mit Verdienst u. guten [c darkviolet]Werken bezeichnet). – Ökumenisch konsensfähig sind die Aussagen, daß Menschen allein aus Gnade im Glauben an die Heilstat Jesu Christi, nicht aufgrund eines Verdienstes, von Gott angenommen werden u. den Heiligen Geist empfangen, der die menschlichen Herzen erneuert u. Menschen befähigt u. aufruft zu guten Werken.
2. Systematisch. Nach einer komplexen Vorgeschichte mit einem nicht einlinigen Verständnis von Gnade – Gerechtigkeit – Barmherzigkeit – Genugtuung – Sündenvergebung stellte sich in der westlichen Theologie ein Verständnis der R. ein, wonach diese nicht einfach mit der Gnade identisch, sondern deren Wirkung u. zwar ”Gerechtmachung “ ist. M. Luther († 1546) wandte sich gegen mögliche Mißverständnisse der spätmittelalterlichen Scholastik, als könne ein Mensch sich Gerechtigkeit durch eigene Tätigkeit verschaffen. In seiner Sicht ist R. ”Gerechtsprechung“ vor dem Gericht Gottes; die Gerechtigkeit Gottes wird dem Menschen weder innerlich zu eigen noch als Geschenk von außen zuteil, sondern besteht in der gnädigen Gesinnung Gottes. Gegen dieses ”forensische“ (lat. = juristisch-gerichtliche) Verständnis der R. wandte sich das Konzil von Trient. Dessen offizielle Lehre von der R. läßt sich folgendermaßen wiedergeben: Gott schenkt in seiner vergebenden Liebe den Heiligen Geist als Geist der Gotteskindschaft, der Freiheit u. der Heiligkeit, der im Menschen Wohnung nimmt u. ihm Zeugnis von der Neuschöpfung durch das Wort des Glaubens u. durch die Zeichen der Sakramente gibt. Diese Selbstmitteilung Gottes schenkt dem Menschen eine rechtmachende, nicht nur eine juristisch anrechenbare Gerechtigkeit (nicht nur eine Imputationsgerechtigkeit), die zugleich die Vergebung der Sünden ist. DerWille Gottes zur R. ist grundsätzlich in derWelt anwesend, eschatologisch unwiderruflich u. gewiß durch die Inkarnation desWortes Gottes, Jesu Tod u. seine Auferstehung. Daß dieser Heilswille Gottes in Jesus Christus den Menschen gegeben ist, ist Gegenstand des Glaubens . Daß er gerade jeden einzelnen Menschen trotz seiner Sündigkeit, in der er sich schuldhaft, wenn auch uneingestanden der Liebe Gottes wirksam versagen kann, wirksam trifft, ist Gegenstand vertrauensvoller [c darkviolet]Hoffnung, nicht aber einer ihrer selbst sicheren Heilsgewißheit. Die Tat Gottes in der R. überspringt nicht den freien Selbstvollzug des Menschen, sondern kommt gerade in der – die Selbstmitteilung Gottes annehmenden – Freiheitstat des Glaubens, Hoffens u. Liebens zu ihrer Wirksamkeit. Darum geht diese gottgeschenkte u. angenommene Gerechtigkeit durch das schwer schuldhafte Sichversagen des Menschen gegenüber der göttlichen Liebe verloren. Insofern die R. am Menschen (als geschichtlichem Wesen) ereignishaft geschieht, ist sie ein wahrhaft radikaler Übergang vom Zustand der Sünde in den der R., so sehr der Mensch von der Sünde angefochten bleibt (Begierde, Simul iustus et peccator ). DerMensch ist einer sicheren subjektiven Reflexion über seinen Zustand vor Gott nicht fähig; er sündigt auch immer u. bleibt unter diesen Aspekten immer derjenige, der von seiner eigenen Verlorenheit zur Gnade Gottes flieht. Da der menschliche Heilsweg geschichtlich verläuft, können der R. Akte der Vorbereitung vorausgehen, die durch Gottes Gnade ermöglicht sind (wie Glaube u. ”unvollkommene “ Reue), u. kann durch Gottes Gnade die Bewahrung bzw. Mehrung der R. den Menschen immer umfassender in Anspruch nehmen (das wird in kath. Sprache dann u. a. mit Verdienst u. guten [c darkviolet]Werken bezeichnet). – Ökumenisch konsensfähig sind die Aussagen, daß Menschen allein aus Gnade im Glauben an die Heilstat Jesu Christi, nicht aufgrund eines Verdienstes, von Gott angenommen werden u. den Heiligen Geist empfangen, der die menschlichen Herzen erneuert u. Menschen befähigt u. aufruft zu guten Werken.