Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Praeambula fidei
(lat. = das dem Glauben Vorausgehende) ist ein Begriff der Theologie des Glaubens, seit dem 13. Jh. eingebürgert, mit dem nicht Glaubenszugänge oder Glaubensbegründungen gemeint sind, sondern der die Voraussetzungen im Menschen, um den Glauben anzunehmen u. über ihn ”vernünftig“ (argumentativ) Rechenschaft geben zu können, bezeichnet (vgl. 1 Petr , 15). Die geschichtliche Offenbarung Gottes in seinem Wort trifft jeweils auf einen Menschen mit bestimmten Erfahrungen u. Urteilen, sie wendet sich an seine Verantwortung u. Entscheidung. Also muß sie sich bei diesem Menschen Gehör verschaffen, sich als Wort Gottes ausweisen können. Im Wort eines Menschen an einen andern wirkt die erkennbare Wahrheit, die er spricht (seine Wahrhaftigkeit als Zeuge), als in seinem Wort wirkende Kraft so, daß sie Verstehen u. Zustimmung bewirken kann. Erst recht ist vom Wort Gottes anzunehmen, daß es durch die Art u. Weise seines Ergehens, durch seinen Inhalt u. vor allem durch die es notwendig u. immer begleitende innere Gnade (die selber ja wesentlicher Bestandteil der Offenbarung Gottes ist) seine eigene Aufnahme beim Menschen erwirkt. Die Selbstmitteilung Gottes als dasjenige, was Gott bei der Schöpfung u. in seinem Verhältnis zur Schöpfung in erster Linie will, schafft sich selber ihre Voraussetzungen des Ankommens. Einerseits erwirkt die Gnade Gottes, in der u. aus der die Wortoffenbarung erfolgt, das verstehende u. annehmende Hören des Subjekts, so daß Gott durch Gott gehört wird, in seinem Wort, das jeder ”natürlichen“ Dimension überlegen ist. Anderseits soll dieses Wort alle Dimensionen des Menschen, vor allem seine geistigen, ansprechen; es soll die ganze Verantwortung des Menschen ansprechen, es soll nicht einfach erfahrungs-jenseitig verbleiben, denn ohne Anbindung an die konkrete menschliche Erfahrung könnte es als bloße illusionäre Ideologie verdächtigt werden. Das Wort Gottes soll den Menschen dort treffen, wo er von sich aus ist u. von wo er sich nicht einfach wegbegeben kann, in der Dimension seiner geschichtlichen und seiner metaphysischen Erfahrung (Transzendenz). Die Erkenntnis dieser beiden Erfahrungen, die den Glauben an eine ergangene Offenbarung Gottes noch nicht voraussetzen, die also logisch (nicht not-wendigerweise zeitlich) der Glaubenszustimmung ”vorausgehen“, die beide vor der freien Verantwortung des Menschen es logisch u. ethisch (Gewißheit) glaubwürdig machen, daß eine göttliche Offenbarung ergangen ist, ohne mit dem Beharren auf eine göttliche Autorität die Zustimmung erzwingen zu wollen, die Erkenntnis beider Erfahrungen also ist mit der Erkenntnis der P. f. identisch. Da Gottes Offenbarung den Menschen in seinem konkreten Dasein anruft u. Anspruch auf ihn erhebt, gehören zu den P. f.: a) Die Erkenntnis Gottes aus der geschaffenen geistig-personalen Welt, also als Erkenntnis des personalen Geheimnisses, für dessen freie Verfügung der Mensch als metaphysisches und als geschichtliches Wesen offen sein muß; b) die Erkenntnis der Glaubwürdigkeit der Zeugen der Gottesoffenbarung unter ihren ganz bedingten konkreten Verhältnissen; c) die vor der Vernunft verantwortete Erkenntnis der Existenz, der wesentlichen Inhalte der Verkündigung, des Selbstzeugnisses in Leben u. Sterben Jesu Christi; d) die geschichtlich glaubwürdige Bezeugung, daß der hingerichtete Jesus zu Gott erhöht lebt; e) die Erkenntnis der Bedeutung der Erinnerung an die Leidenden u. Opfer der Geschichte verbunden mit der Verheißung der Gerechtigkeit; f) die Erkenntnis der daraus entspringenden Hoffnungs- u. Handlungspotentiale. Diese u. vielleicht noch andere, von der Theologie zu erhebende Faktoren können genügend (ausreichend) mit jener logischen, rational-historischen Sicherheit aufgewiesen werden, mit der ein Mensch sich in unzähligen wichtigen Entscheidungen seines Lebens zufrieden geben muß, zumal dann, wenn ihm deutlich ist: eine gegenteilige Entscheidung hätte in ihrem Inhalt u. in ihren ”Gründen“, die letztlich nur darin bestehen können, daß eine Entscheidung nicht zwingend begründet ist, keine wirklich bessere logische u. ethische Rechtfertigung. Mit Formulierungen wie ”unbedingte Einforderung“, ”unbedingter Einforderungscharakter“ oder ”Anspruchscharakter“ müßte die Theologie behutsam umgehen, da sie zu rasch im Sinn zwingender Letztbegründungen verstanden werden. Zu diesen ”äußeren“ Faktoren der P. f. kommt als inneres Moment die innere Übereinstimmung (”Harmonie“) des Menschen mit der gehörten Botschaft, durch die er sich im ”Sinn“ seines Daseins weiß, auch wenn er zuweilen mit geistiger Tapferkeit gegen eine enttäuschte oder müde, skeptische Gemütsverfassung auf diesem Sinn bestehen muß; die feste Zuversicht, daß infolge der Annahme der Offenbarung sein Leben einen Ausgang in das Sinnvolle hat, das als unendliches Geheimnis in unendlich naher Liebe erscheint. Diese inneren Faktoren oder Momente integrieren die pluralen äußeren, logisch analysierten Faktoren in sich; sie (die innerenMomente) lassen sich dann nicht mehr reflex vom inneren Licht der Glaubensgnade abgrenzen, so daß auch hier die P. f. nicht einfach dem Bereich des ”Natürlichen“, von der Gnade Gottes (noch) nicht Betroffenen zugerechnet werden dürfen.