Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Polytheismus
   (griech. = die Auffassung von der Existenz mehrerer oder vieler Götter), tritt in der Religionsgeschichte in den unterschiedlichsten Formen u. Traditionen auf, die sich nicht systematisieren lassen (heute noch in fernöstlichen u. in neu gebildeten Religionen). Jedem Seienden u. vor allem den großen, bestimmenden Mächten des menschlichen Daseins eignet wegen ihrer Geheimnishaftigkeit, wegen ihrer sehr oft vorhandenen Unverfügbarkeit durch den Menschen u. wegen ihres oft widersprüchlichen Pluralismus in einem gewissen Sinn ein ”numinoser“ (Ehrfurcht u. Schaudern erregender) u. gleichzeitig konfliktreich pluraler Charakter. Wenn ein Mensch über solche ”Mächte“ reflektiert, sie in seinem Dasein ”anwesend“ sein läßt, dann interpretiert er sein Dasein jedenfalls tiefer u. richtiger, als wenn er die physischen Einzelwirklichkeiten in einem mechanistischen Empirismus u. in einem banalen Positivismus nur beglückenden Konsum suchend benutzt u. technisch vernutzt. Wenn einem Menschen die geschichtlich einmalige Offenbarung u. Selbstmitteilung des einen lebendigen Gottes noch nicht begegnet ist oder sie ihm durch menschliche Schuld der ”Glaubensboten“ nur in entstellter Form begegnet ist, dann ist es möglich, daß er seine Transzendenzerfahrung als eine Erfahrung solcher ”numinoser“ (heilig-göttlicher) Mächte deutet u. mit diesen ”polytheistisch“ in ein verehrendes Verhältnis tritt. Solche Erfahrungen sind in ihrer Echtheit nicht zu bestreiten; in der Sicht des Glaubens sind sie Mißdeutungen der pluralen Erfahrungen des einen Gottes. Eine polytheistische Gefährdung des christlichen Glaubens liegt dort vor, wo an die Unentbehrlichkeit ”numinoser“ Mächte als Vermittler zu dem einen Gott geglaubt wird u. diese ”heiligen“ Mächte den religiösen Akt der Anbetung an sich ziehen. Über die Schuldhaftigkeit des P., die erst dort gegeben wäre, wo Gott als der eine wahre u. weltüberlegene Grund aller Wirklichkeit erkannt u. gegen besseresWissen polytheistisch ”ausgelegt“ würde, hat der Außenstehende nicht zu urteilen. – Monotheismus .
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