Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Parusie
   (griech. = Anwesenheit, Kommen), ein Begriff, der im Deutschen mißverständlich mit ”Wiederkunft Jesu Christi“ übersetzt wird. Als Begriff kommt er nur im NT vor, doch weist die Exegese auf seine Hintergründe hin: Hellenistisch bezeichnet P. das Erscheinen eines Würdenträgers oder eines Gottes. Im AT u. in der jüdischen Apokalyptik ist oft die Rede vom ”Kommen Gottes“, sei es in einer Epiphanie, sei es am Ende der Geschichte. Das NT sieht die P. als ein Geschehen am Ende des katastrophischen, von vielen Vorzeichen angekündigten ”Endes der Welt“ (Mk 13 par.), u. zwar als Kommen des Menschensohnes ”in denWolken mit großer Macht u. Herrlichkeit“ (Mk 1, 26) oder als Herabsteigen Jesu Christi vom Himmel (1 Thess 4, 16 f.). Das unmittelbare Ziel dieses Kommens ist die Abhaltung des eschatologischen Gerichts. Die P. in diesem Sinn mit der Rettung der Treuen aus den irdischen Bedrängnissen ist Gegenstand der Naherwartung bei Paulus u. der Urgemeinde; auf die ”Verzögerung“ der P. reagieren Texte des NT in unterschiedlicher Weise. Die P. stellt insofern ein wichtiges Thema im Verhältnis von Judentum und Kirche dar, als der von jüdischen Kreisen erwartete Messias eine siegreiche Herrschergestalt der Endzeit war, als welche der irdische Jesus mit Sicherheit nicht gelten konnte. So wird gelegentlich die P. als das wahre Erscheinen des Messias dargestellt. In der theol. Systematik wurden früher die biblischen Ankündigungen unreflektiert wiederholt u. die P. im Zusammenhang mit der allgemeinen Erweckung der Toten u. dem universalen Gericht thematisiert. In der gegenwärtigen Theologie wird in unterschiedlicher, nicht einfach harmonisierbarer Weise von der P. gesprochen. Eine Sicht faßt die P. zwar traditionell als (blitzartiges) Ereignis am Ende der Zeiten auf, betont aber die Identität des irdischen Jesus mit dem in Herrlichkeit kommenden erhöhten Jesus Christus u. begreift das Gericht als Gnadengericht seiner erbarmenden u. heilenden Liebe. Darin liegt eine wichtige Korrektur einer kirchlichen Verkündigung u. Pastoral der Einschüchterung. In einer zweiten Sicht wird behauptet, die P. habe sich bereits ereignet, da Jesus in der Kirche gegenwärtig sei u. insbesondere in ihren Sakramenten wirke; die mit den biblischen Verheißungen gemeinte sichtbare Herrlichkeit ist hier allerdings nicht faßbar, überdies ist die P. wesentlich mit dem Gedanken der Vollendung verbunden, in der ja die Sakramente u. Institutionen der Kirche vergangen sein werden. Eine dritte Sicht versteht die P. nicht als plötzlich eintretendes Ereignis, sondern als Prozeß der Vollendung der Schöpfung u. Menschheitsgeschichte: ”Die Vollendung dieses Prozesses (dessen innerweltlich gemessene Zeitdauer niemand weiß) nennen wir Parusie Jesu Christi, insofern dann für alle offenbar ist (weil alle vollendet sind in der Endgültigkeit ihrer Rettung oder Verlorenheit), daß Anfang der Irreversibilität u. tragender Grund dieses Prozesses, seine Sinnmitte u. sein Höhepunkt die Wirklichkeit des Auferstandenen ist, der ›wiederkehrt‹, insofern alle bei ihm ankommen“ (Rahner-Vorgrimler 1961, 279).
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