Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Papst
   (griech. ”pappas“, lat. ”papa“ = Vater), Amtsbezeichnung, die im kirchlichen Westen seit dem 5. Jh. ausschließlich dem Bischof von Rom gilt.   1. Zur Geschichte. Nach der kath. Glaubenslehre wurden dem Apostel Simon Petrus Verheißungen Jesu zuteil, nach denen er Fundament der künftigen Kirche u. Inhaber der Schlüsselgewalt werden solle. Unter Hinweis darauf, daß mit dem Fundament nicht der persönliche Glaube des Petrus allein gemeint sein könne, sondern die Fundamentfunktion eine dauernde ist, hält die kath. Glaubenslehre daran fest, daß dem Petrus und seinen Nachfolgern das höchste Leitungsamt in der Kirche anvertraut wurde (die hauptsächlich angeführten Texte: Mt 16, 16–19; Lk 22, 31 f.; Joh 21, 15–19; dazu kommen noch weitere Texte des NT , die eine Sonderstellung des Petrus bezeugen, darunter auch die Haltung des Paulus gegenüber Petrus; vgl. auch Successio apostolica ). Es ist heute Gemeingut der Theologie, daß die entsprechenden Texte des NT , die sämtlich der nachösterlichen Tradition angehören, nicht als historische Zeugnisse im Sinn einer ”Stiftung“ des Papstamtes durch Jesus verstanden werden können. Ein Vorrang der Christengemeinde in Rom ist schon in Zeugnissen Ende des 1. Jh. greifbar; daß sie von einem Bischof geleitet wurde, ist 235 bezeugt. Bei Cyprian († 258) findet sich erstmals die Auffassung, daß der Bischof von Rom der Nachfolger des Petrus ist. Dabei spielte zweifellos der Rang Roms als Hauptstadt des Kaiserreichs eine Rolle; da aber vom 4. Jh. an Konstantinopel diesen Rang beerbte u. das Verhältnis des geistlichen u. politischen Vorrangs nicht genau definiert war, fanden die wichtigen Klärungen von Glaubensfragen durch Ökumenische Konzilien im 1. Jahrtausend auf Initiative der oströmischen Kaiser u. nur mit päpstlichen Legaten statt. Etappen in der Entwicklung des Papsttums: Durch Schenkungen von Kaisern u. Adel seit dem 4. Jh. wird die römische Kirche zum größten Grundbesitzer in Italien (Kirchenstaat bis 1870, seit 1929 Vatikanstaat); Geltung des Papstamtes im ganzen Abendland zur Zeit Gregors I. († 604); allgemeine Anerkennung als Appellationsinstanz im 8. Jh.; Ablehnung der röm. Verhaltensweisen durch die Ostkirchen; Kaiserkrönung im Westen 800 u. in der Folgezeit bis 1530; Beanspruchung des [c darkviolet]Jurisdiktionsprimats seit Gregor VII. (1075); allmähliche Zurückweisung der Eigenständigkeit der Bischöfe u. Auseinandersetzung mit der weltlichen Macht; seit Innozenz III. († 1216) Beanspruchung des Titels ”Stellvertreter Christi “; bei Bonifaz VIII. (1302) die Forderung der Anerkennung des päpstlichen Primats durch alle Menschen als Voraussetzung für deren ewiges Heil; als Reaktion auf die jahrhundertelangen Reformbegehren (Konzil von Konstanz; Konziliarismus) u. die Reformation Verstärkung des absolutistischen Anspruchs u. Ausbau der röm. Kurie; in Reaktion auf den Schock durch Aufklärung u. Französische Revolution Konzentration auf den Jurisdiktionsprimat u. die Unfehlbarkeit des Papstes im I. [c darkviolet]Vaticanum 1869–1870; Versuch einer ”Neuentdeckung“ des Bischofskollegiums u. des ”pastoralen“ Charakters des Papstamtes durch Johannes XXIII. († 1963); seither neuerliche Betonung des päpstlichen Primats, aber auch Andeutung der Möglichkeit, die Art seiner Ausübung im Interesse der Ökumene deutlich zu verändern.
   2. Zur Theologie. Zu den dogmatisch verbindlichen Formulierungen des I. Vaticanums: [c darkviolet]Jurisdiktionsprimat, Unfehlbarkeit. Für geschichtliches Denken ist es selbstverständlich, daß eine Institution dem Willen Gottes gemäß sein u. dennoch konkreten Gestaltungen, menschlichen Eingriffen u. Prägungen auch sehr unvollkommener Art ausgesetzt sein kann. Mit den Papstdogmen des I. Vaticanums sind bei weitem nicht alle theol. u. praktischen Fragen geklärt. Der P. ist, ohne daß das juristisch geltend gemacht werden könnte, in das Glaubensverständnis der Gesamtkirche eingebunden; sein Amt ist immer Dienst an der Offenbarung Gottes u. Knechtsdienst Jesu Christi. Die Anerkennung der Kompetenzen der einzelnen Bischöfe in der Leitung ihrer Diözesen u. die Respektierung des Bischofskollegiums könnten ungleich größer sein als heute. Die Ämter des Papstes als Bischof von Rom u. als Patriarch der westlichen Kirche könnten in seiner Dienstausübung Vorrang gewinnen, so daß die Ausübung des universalkirchlichen Primats immer stärker subsidiären Charakter annähme (Subsidiarität). Anderseits sieht die kath. Theologie deutlich, daß nach dem bisherigen Ausweis der Geschichte das Papstamt einen entscheidenden Dienst bei der Überlieferung u. Bewahrung der Offenbarung Gottes, bei der Sicherung der Identität der Kirche im Lauf der Geschichte u. auch bei der Garantierung der Einheit bei zunehmendem Pluralismus u. starker Polarisierung leistet. Ökumenisch sind konstruktive Gespräche über ein der Einheit dienendes universalkirchliches Amt im Zeichen ”versöhnter Verschiedenheit“ u. Eigenständigkeit der Teil- u. Schwesterkirchen denkbar.
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