Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Opfer
ist einer der ältesten u. am weitesten verbreiteten religiösen Riten der Menschheit. Als Grundgestalt, die nicht bei jedem O. gegeben ist, kann der folgende Vorgang benannt werden: Eine sinnenfällige Gabe, die als Wert gilt, wird von einem Menschen in seinem eigenen Namen oder als Vertreter einer Kultgemeinschaft dem Heiligen “ übereignet. Dieses kann das unpersönliche Göttliche, eine Macht oder der persönliche heilige Gott sein. Die Übereignung hat eine Bedeutung u. eine Absicht. In vielen Religionsgemeinschaften, die einen persönlichen Gott verehren, soll sie Ausdruck für die anbetende Selbstübergabe an den heiligen Gott sein; ausgehend von der Glaubensüberzeugung, daß Gott die Gabe annahm, wird das Opfermahl der Kultgemeinschaft zum Zeichen des gnädigen Gemeinschaftswillens Gottes. Die Übereignung kann in der Vernichtung oder Tötung der Gabe kultisch-rituelle Gestalt annehmen. Neben der Absicht, der Gemeinschaft mit Gott symbolischen Ausdruck zu verleihen, steht oft die Hoffnung auf Schutz u. Hilfe durch die Gottheit oder die Bitte um Versöhnung (”sozialer Reinigungsvorgang“) im Mittelpunkt des Interesses. 1. Biblisch. Die Religiosität Israels war von mannigfaltigen Opfern geprägt. In der Kultreform des Königs Joschija († 609 v.Chr.) wurden die JHWH-fremden Kulte beseitigt u. alle Kulthandlungen mit den Opfern in Jerusalem zentralisiert. Das Opfermahl ist Feier der Gemeinschaft mit Gott u. hat für das Eigentumsvolk Gottes gemeinschaftsbildende Kraft. Nach dem Exil dient ein verstärktes Opferwesen der Versöhnung Gottes (Sühne-O.; reinigende Wirkung des Blutes). Unter den mannigfaltigen Gestalten des Opfers ragen Brand- u. Speise-O. hervor. Zur Kultkritik der Propheten u. der Weisheit gehörte auch die Kritik an einem magischen u. automatisch-mechanischen Opferverständnis. So beginnt bereits in vorchristlicher Zeit eine Erneuerung des Opfergedankens durch Betonung der innerlichen Vorgänge (Gebet, Almosen, Fasten, Demut). Seit dem Ende der O. in Jerusalem erbittet das Achtzehnergebet täglich die Erneuerung des Tempels u. der O. – Jesu eigene Haltung gegenüber dem Opferwesen ist von der Kultkritik der Propheten u. vom Vorrang der religiös-praktischen Haltung (Einheit von Gottes- u. Menschenliebe: Mk 12, 28–34 u. ö.) vor dem Ritus geprägt (Mt 5, 23 f.). Eine Interpretationsrichtung der frühen Gemeinde verwendet hinsichtlich der Deuteworte Jesu beim [c darkviolet]Abendmahl u. hinsichtlich des Geschehens am Kreuz opfertheol. Kategorien (1 Kor 5, 7; Eph 5, 2; Joh 1, 29 36; Offb 5, 6–12). Als Opferpriester u. Opfergabe wird Jesus Christus in Hebr 7–10 dargestellt. Mit wachsender Entfremdung des Christentums vom Judentum wird der Tempelkult zugunsten der Verehrung des Gekreuzigten u. Erhöhten abgewertet (Mk 14, 58 par. u. ö.). Andeutungen zeigen die Tendenz zu einem opfertheol. Verständnis der Liturgie (1 Kor 10, 14–22). Eine verinnerlichte u. ethische Opfersprache dient zur Bezeichnung des Christenlebens u. -dienstes (Röm 12, 1 f.; 15, 16; Phil 4, 18; 1 Petr 2, 4 f. u. ö.).
2. Systematisch. Die durch Gott selber immer wieder ermöglichte Gewährung von Versöhnung u. Erneuerung des Bundes ist an keine Vorleistungen durch O. gebunden. Die konsequente Pro-Existenz Jesu in seinem Leben u. Sterben ist wirksames Zeichen der Liebe Gottes, die durch menschliche Verweigerung u. Sünde nicht zunichte gemacht werden konnte u. kann. Der Gehorsam Jesu gegenüber seiner Sendung in der Treue zu seiner Gottesbotschaft, der ihn in den Tod führte, muß nicht mit dem religionsgeschichtlichen Begriff O. interpretiert werden. Erlösung in der Sicht des christlichen Glaubens kann von der alles umfassenden Liebe Gottes zu seiner Selbstmitteilung an die Kreatur her verstanden werden u. muß nicht auf einen Sieg über die Sünde oder auf ein ”stellvertretendes Sühneopfer“ Jesu Christi hin ([c darkviolet]Stellvertretung, Satisfaktionstheorie) enggeführt werden. Erst recht nötigt nichts die Theologie dazu, das Geschehen am Kreuz als Ausdruck des Zornes Gottes über die Sünde, als Erleiden der ”Gottverlassenheit“ als Folge der Sünde oder gnostisch als Produkt eines innertrinitarischen Dramas usw. auszugeben. Zur ”Anwendung“ des Opferbegriffs auf die Eucharistie: Meßopfer . – In der kirchlichen Tradition spielten die asketischen O. eine große Rolle. Nachdem die Mißverständnisse geklärt sind, als könne oder müsse Gott durch menschliche O. gnädig gestimmt werden, als könnten Menschen durch Opferleistungen (Sühne) an der Vergebung fremder Sünden mitwirken, als seien Verzichte einfach als solche Gott wohlgefällig, sind positive Inhalte möglicher O. weiterhin dort gegeben, wo praktische Solidarität mit anderen schmerzhafte Verzichte abverlangt, wo die Selbstliebe u. der Wunsch nach Befreiung von Abhängigkeit zu Konsumverzicht nötigen, wo die Einübung des Loslassenkönnens als alltägliches Sterben u. Einüben des Todes begriffen wird.
2. Systematisch. Die durch Gott selber immer wieder ermöglichte Gewährung von Versöhnung u. Erneuerung des Bundes ist an keine Vorleistungen durch O. gebunden. Die konsequente Pro-Existenz Jesu in seinem Leben u. Sterben ist wirksames Zeichen der Liebe Gottes, die durch menschliche Verweigerung u. Sünde nicht zunichte gemacht werden konnte u. kann. Der Gehorsam Jesu gegenüber seiner Sendung in der Treue zu seiner Gottesbotschaft, der ihn in den Tod führte, muß nicht mit dem religionsgeschichtlichen Begriff O. interpretiert werden. Erlösung in der Sicht des christlichen Glaubens kann von der alles umfassenden Liebe Gottes zu seiner Selbstmitteilung an die Kreatur her verstanden werden u. muß nicht auf einen Sieg über die Sünde oder auf ein ”stellvertretendes Sühneopfer“ Jesu Christi hin ([c darkviolet]Stellvertretung, Satisfaktionstheorie) enggeführt werden. Erst recht nötigt nichts die Theologie dazu, das Geschehen am Kreuz als Ausdruck des Zornes Gottes über die Sünde, als Erleiden der ”Gottverlassenheit“ als Folge der Sünde oder gnostisch als Produkt eines innertrinitarischen Dramas usw. auszugeben. Zur ”Anwendung“ des Opferbegriffs auf die Eucharistie: Meßopfer . – In der kirchlichen Tradition spielten die asketischen O. eine große Rolle. Nachdem die Mißverständnisse geklärt sind, als könne oder müsse Gott durch menschliche O. gnädig gestimmt werden, als könnten Menschen durch Opferleistungen (Sühne) an der Vergebung fremder Sünden mitwirken, als seien Verzichte einfach als solche Gott wohlgefällig, sind positive Inhalte möglicher O. weiterhin dort gegeben, wo praktische Solidarität mit anderen schmerzhafte Verzichte abverlangt, wo die Selbstliebe u. der Wunsch nach Befreiung von Abhängigkeit zu Konsumverzicht nötigen, wo die Einübung des Loslassenkönnens als alltägliches Sterben u. Einüben des Todes begriffen wird.