Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Ockhamismus
   spätmittelalterliche Richtung der scholastischen Philosophie u. Theologie, benannt nach ihrem bedeutendsten Vertreter, dem Franziskaner Wilhelm von Ockham (Occam) († um 1349), auch als Konzeptualismus (Nominalismus) bezeichnet. In seinem Gottesverständnis geht der O. nicht von einer objektiv strukturierten, in Allgemeinbegriffen faßbaren Wirklichkeit der Schöpfung, sondern von einem umfassenden Begriff der Allmacht Gottes aus. Danach vermag Gottes alles, was nicht widersprüchlich ist, u. so entstammt die Schöpfung den Willensdekreten Gottes, in denen ihre radikale Kontingenz begründet ist. Das Allgemeine existiere demnach nur im Geist (Bewußtsein), u. nur das einzelne Wirkliche existiere real. Damit wird die aristotelisch-thomistische Auffassung einer Einheit von Philosophie u. Theologie (Metaphysik) aufgegeben, so daß die Möglichkeit objektiver Erkenntnis der Strukturen des Ganzen (z. B. der Kausalität, der Teleologie, die für die ”Gottesbeweise“ von Bedeutung waren) geleugnet wird. Auch andereWissenschaften können nur von Begriffen (Konzepten) als Zeichen der Dinge handeln. In der Ethik sind Normen ebenfalls nicht durch die Vernunft erkennbar; vielmehr sind sie von Gott als Gesetzgeber aufgestellt. Die Haltung des Menschen ihnen gegenüber ist nicht in Einsicht begründet, sondern besteht in der Leistung des freien Gehorsams. Hierin ist eine der Wurzeln des neuzeitlichen Subjektivismus zu sehen. Der O. übte mit dieser Freiheitslehre in der Sozialphilosophie u. mit seiner aus der Ordnungskritik entstehenden Hierarchiekritik starken, besonders in der Reformation spürbaren Einfluß aus. Auf Ockham wird das Ockhamsche Rasiermesser, ein Sparsamkeitsprinzip, zurückgeführt, das besagt, daß eine Vielfältigkeit ohne Notwendigkeit nicht angenommen werden darf.
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