Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Nominalismus
   (lat. = Namenstheorie), eine erkenntnistheoretische, metaphysische u. theol. Richtung der Spätscholastik am Ende des Mittelalters (Ockhamismus). Nach ihr haben die allgemeinen Begriffe (”universalia“) keine jeweils eigene Realität; sie sind nicht eigentliche ”Wesensbegriffe“, sondern ”Namen“ (”nomina“) für vieles, was an sich absolut individuell ist. Zugrunde liegt die Auffassung, daß das Allgemeine nicht zu der vom Denken unabhängigen Wirklichkeit gehört (so der ”Realismus“), sondern reines Produkt des Denkens oder sprachliches Erfordernis sei. Allgemeine Aussagen seien nicht identisch mit Aussagen über Allgemeines u. dessen Existenz. Bemerkenswert ist das ”Sparsamkeitsprinzip“ des N.: Wenn der Realismus besage, daß jeder Begriff eine real existierende ”Sache“ bezeichne, so wäre das eine überflüssige u. nicht begründbare Annahme. In nominalistischer Sicht ist die Theologie ”in sich“ zwar eine Wissenschaft, doch stammen ihre ”Prinzipien“ nicht aus der Vernunft (die in ihren Grenzen wahrgenommen wird), sondern aus der Offenbarung, daher ist sie alsWissenschaft auch nicht Sache der Menschen. In der Dogmatik spielte die Lehre des N. über die Freiheit Gottes bei der Schöpfung eine Rolle: Gott habe kraft seiner absoluten Macht (”de potentia Dei absoluta“) frei wählend die Welt in ihrer Kontingenz erschaffen; faktisch sei durch die Ordnungsmacht Gottes (”de potentia Dei ordinata“) eine Schöpfung ohne Widersprüche entstanden, doch hätte Gott auch eine andere Schöpfung, ebenfalls ohne Widersprüche, entstehen lassen können. Im N. kann eine ”Wachstumskrise“ des christlichenWeltverständnisses gesehen werden, die zur Befreiung aus mittelalterlichen Denkformen notwendig war (Frage nach dem Faktischen u. geschichtlich Einmaligen, Betonung des erkennenden Subjekts im Unterschied zu den ”Sachen“, Verwendung der induktiven Methode, die zu den modernen Naturwissenschaften führt). Notwendigkeit als philosophischer Begriff besagt, daß etwas nicht nichtsein oder nicht anders sein kann, als es ist; logisch besagt N., daß eine Aussage, von bestimmten Voraussetzungen aus betrachtet, gar nicht falsch sein kann. In biblischer Sicht zeichnen sich nicht nur in der [c darkviolet]Weisheits-Lehre vom Tun-Ergehens-Zusammenhang Versuche ab, gesetzmäßige Abläufe zu ergründen (Sünden – Gericht Gottes in Katastrophen usw.). Der so vermutete göttliche ”Heilsplan“ (”Ökonomie“) führt zu einem ”Muß“, dem notwendigen Eintreten bestimmter Ereignisse. Die Frage nach der N. in Gott selber wurde in der Neuzeit aufgeworfen. B. de Spinoza († 1677) entwickelte eine pantheistische Notwendigkeitsphilosophie, nach der nur eine einzige Substanz existiere, diejenige Gottes, die notwendig existiere u. aus der die notwendigen Gesetze des Seienden abzuleiten seien. G. W. F. Hegel († 1831) wollte den Prozeß von Welt u. Geschichte als notwendige Selbstvermittlung Gottes verstehen. In der Dogmatik gilt Gott als der absolut notwendige Grund alles von ihm in kreatürlicher Kontingenz Geschaffenen. Zur Realisierung der unterschiedlichen Möglichkeiten von Selbsttranszendenz in der Schöpfung (bis hin zur Inkarnation u. zur Vollendung des Menschen in der Anschauung Gottes ) ist die [c darkviolet]Selbstmitteilung Gottes in seiner Gnade absolut notwendig. Zu den bedingten Notwendigkeiten der Heilsvermittlung: Heilsnotwendigkeit .
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