Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Neuplatonismus
bezeichnet die letzte Phase der antiken Philosophie vom 3. bis 6. Jh. n.Chr., die vorwiegend, wenn auch nicht ausschließlich von der Philosophie Platons († 347 v.Chr.) geprägt war u. die auf den [c darkviolet]Mittelplatonismus folgte. Schulen des N. entstanden u. a. in Athen, Rom, Apameia in Syrien, Pergamon, Alexandrien. Als Hauptvertreter u. einflußreiche Lehrer werden genannt: Plotin († 270), Porphyrios († 305) u. Iamblichos († 326). Der N. ging von einem konsequenten Einheitsdenken aus, in dem er alle Wirklichkeiten, geistige u. wahrnehmbare, in einem hierarchisch gestuften Zusammenhang differenzierte, aber den [c darkviolet]Dualismus ablehnte. Das Eine (”to hen“) überragt alles Denken, alles Sein u. alles Seiende, ist der Ursprung von allem, faßt alles Vielfältige in sich zusammen: der transzendente ”Gott“. Das höchste Seiende ist der [c darkviolet]Geist (”nous“), der Ursprung alles endlichen Seienden. An ihm hat die [c darkviolet]Seele Anteil, die den geistigen Kosmos mit der wahrnehmbaren Welt gleichsam verbindet. Die wahrnehmbareWelt ist durch die Materie gekennzeichnet, die zwar die niederste Stufe darstellt, aber ihrerseits auch nicht ohne Verbindung zum Geist ist. Alles Endliche strebt zurück zu seinem Ausgang, daher kommt den Menschen die ethische Aufgabe zu, sich immer stärker zu ”vergeistigen“ u. die Seele den mystischen Weg des ”Aufstiegs“ zum Einen nehmen zu lassen. Dieses Gedankengut, in dem Philosophie mit Theologie verbunden war, hielten die Kirchenväter für sehr geeignet, die in der Bibel bezeugte Selbstoffenbarung Gottes in ihre zeitgemäße Sprache zu ”übersetzen“. Besonders der Neuplatoniker Augustinus († 430) prägte, zum Teil bis zur Gegenwart, die Theologie weitgehend neuplatonisch. Andere vom N. beeinflußte Theologen waren Ps.-Dionysios Areopagites (um 500), Johannes Scottus Eriugena (9. Jh.), Meister Eckhart († 1328) u. Nikolaus von Kues († 1464). Auch in der Philosophiegeschichte zeichnen sich öfter Spuren des N. ab. Er behält seine Bedeutung in der Theologie vor allem durch die Konsequenz, mit der er die transzendente Göttlichkeit Gottes betonte, die sich jeder Vergegenständlichung entzieht ([c darkviolet]Negative Theologie ). Aber wesentliche Themen der Selbsterschließung Gottes sind dem N. fremd: Die Schöpfung als Adressatin der Selbstmitteilung Gottes, die einmalige, unumkehrbare Geschichte mit einem Werden, das Gott selber sich zu eigen macht, indem er in der Inkarnation das wird, was er nicht ”schon immer“ war, die in der Materie u. Geschichte ”ausgezeitigte“ Einmaligkeit u. Endgültigkeit der menschlichen Person. Die Denkformen des N. haben bis in das 20. Jh. verhindert, daß Christentum u. Kirche ihre vom Judentum überlieferte Gottes- u. Menschenauffassung in die Gegenwart vermitteln konnten.
bezeichnet die letzte Phase der antiken Philosophie vom 3. bis 6. Jh. n.Chr., die vorwiegend, wenn auch nicht ausschließlich von der Philosophie Platons († 347 v.Chr.) geprägt war u. die auf den [c darkviolet]Mittelplatonismus folgte. Schulen des N. entstanden u. a. in Athen, Rom, Apameia in Syrien, Pergamon, Alexandrien. Als Hauptvertreter u. einflußreiche Lehrer werden genannt: Plotin († 270), Porphyrios († 305) u. Iamblichos († 326). Der N. ging von einem konsequenten Einheitsdenken aus, in dem er alle Wirklichkeiten, geistige u. wahrnehmbare, in einem hierarchisch gestuften Zusammenhang differenzierte, aber den [c darkviolet]Dualismus ablehnte. Das Eine (”to hen“) überragt alles Denken, alles Sein u. alles Seiende, ist der Ursprung von allem, faßt alles Vielfältige in sich zusammen: der transzendente ”Gott“. Das höchste Seiende ist der [c darkviolet]Geist (”nous“), der Ursprung alles endlichen Seienden. An ihm hat die [c darkviolet]Seele Anteil, die den geistigen Kosmos mit der wahrnehmbaren Welt gleichsam verbindet. Die wahrnehmbareWelt ist durch die Materie gekennzeichnet, die zwar die niederste Stufe darstellt, aber ihrerseits auch nicht ohne Verbindung zum Geist ist. Alles Endliche strebt zurück zu seinem Ausgang, daher kommt den Menschen die ethische Aufgabe zu, sich immer stärker zu ”vergeistigen“ u. die Seele den mystischen Weg des ”Aufstiegs“ zum Einen nehmen zu lassen. Dieses Gedankengut, in dem Philosophie mit Theologie verbunden war, hielten die Kirchenväter für sehr geeignet, die in der Bibel bezeugte Selbstoffenbarung Gottes in ihre zeitgemäße Sprache zu ”übersetzen“. Besonders der Neuplatoniker Augustinus († 430) prägte, zum Teil bis zur Gegenwart, die Theologie weitgehend neuplatonisch. Andere vom N. beeinflußte Theologen waren Ps.-Dionysios Areopagites (um 500), Johannes Scottus Eriugena (9. Jh.), Meister Eckhart († 1328) u. Nikolaus von Kues († 1464). Auch in der Philosophiegeschichte zeichnen sich öfter Spuren des N. ab. Er behält seine Bedeutung in der Theologie vor allem durch die Konsequenz, mit der er die transzendente Göttlichkeit Gottes betonte, die sich jeder Vergegenständlichung entzieht ([c darkviolet]Negative Theologie ). Aber wesentliche Themen der Selbsterschließung Gottes sind dem N. fremd: Die Schöpfung als Adressatin der Selbstmitteilung Gottes, die einmalige, unumkehrbare Geschichte mit einem Werden, das Gott selber sich zu eigen macht, indem er in der Inkarnation das wird, was er nicht ”schon immer“ war, die in der Materie u. Geschichte ”ausgezeitigte“ Einmaligkeit u. Endgültigkeit der menschlichen Person. Die Denkformen des N. haben bis in das 20. Jh. verhindert, daß Christentum u. Kirche ihre vom Judentum überlieferte Gottes- u. Menschenauffassung in die Gegenwart vermitteln konnten.