Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Mysterien und Christentum
   1. Zum Begriff. Mysterium (griech. ”mysterion “, wohl von ”myein“ = den Mund verschließen) bezeichnet in der antiken griech. Religion u. Philosophie zunächst das Geheimnisvolle u. Unsagbare an einer Gotteserfahrung, vor allem auch dasjenige, was nicht der Öffentlichkeit preisgegeben werden soll. Im AT u. Judentum wird der Begriff Mysterium durch den Hellenismus bekannt u. meint im Plural Geheimnisse, die an sich in Gott verborgen sind, die er aber auserwählten Menschen anvertraut, um sich in seinen innersten Absichten zu offenbaren. In diesem Sinn kommt Mysterium auch im NT vor (Mk 4, 11 par. Geheimnis des Reiches Gottes; bei Paulus endzeitliche Geheimnisse). In den Deuteropaulinen Kol u. Eph ist Mysterium ein wichtiger Begriff der Geschichtstheologie: Enthüllung des Heilsgeschehens in Jesus Christus, insbesondere als die Liebe zu seiner Kirche, als Frieden von Juden u. Heiden, Herrschaft Jesu Christi über den Kosmos. Die geschichtliche Verwirklichung des göttlichen Heilsplans soll nicht geheimgehalten, sondern allen Menschen ”veröffentlicht“ werden. In diesem Sinn wird Mysterium auch in der alten Kirche verwendet, bis es vom 4. Jh. an auf die Sakramententheologie übertragen wird, um dasjenige zu bezeichnen, was in den Zeichen verhüllt ist. Die neuere deutschsprachige Theologie benützt statt Mysterium vorzugsweise den Begriff Geheimnis.   2. Mysterienreligionen waren in der griech. u. röm. Antike religiöse Auffassungen u. Kulte abseits der jeweils offiziellen Kulte, nur ”Eingeweihten“ zugänglich. Zeugnisse reichen vom 1. Jahrtausend v.Chr. bis in die späte Kirchenväterzeit. Bedeutende Mysterienkulte galten in Griechenland der Göttin Demeter (Lebensu. Wachstumskult) u. dem Gott Dionysos (Kommunion mit ihm durch Essen des Opferfleischs), in Kleinasien Attis u. der Magna Mater (Vegetationsriten, Stieropfer), in Ägypten Isis u. Osiris, mit späteren Einflüssen in Rom (Religion im Hinblick auf Überleben des Todes); eine Sonderstellung nimmt der vom westlichen Iran ausgehende, auf Männer beschränkte Mithras-Kult (Stieropfer als Ursprung der Lebenskraft) ein, der die Veden-Religion in Indien, den Parsismus, Manichäismus u. Rom beeinflußte. Wegen der Bedeutung der Einweihung existierten unterschiedliche Weihestufen (Hierarchie); die Basis der Religionen waren alte Mythen. Das eigentliche ”Geheimnis“ bestand nicht in den Texten u. Riten, sondern in der (eventuell ekstatischen) Erfahrung des Göttlichen. Die religionsgeschichtliche Bemühung, Einflüsse der Mysterienreligionen auf das junge Christentum anzunehmen, kann allenfalls auf Analogien im Bereich der Reinigungsriten u. der Kultmähler u. auf die christliche Verwendung des BegriffsMysterium hinweisen. Die Naturmythen in Verbindung mit Tod u. Auferstehung einer Gottheit geben ein zyklisches Geschehen wieder, während die Auferstehung Jesu ein einmaliges, für immer gültiges Geschehen in einer ”linearen“ Auffassung der Heilsgeschichte bezeichnet.
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