Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Modernismus
eine Sammelbezeichnung für höchst unterschiedliche Tendenzen u. Bemühungen zunächst um 1900, aus dem berechtigtenWunsch, die wesentlichen Inhalte des christlichen Glaubens den Zeitgenossen verständlich zu vermitteln u. das Gespräch mit modernen Wissenschaften u. Anschauungen zu suchen. Praktische Themen u. Reformvorschläge waren damit verbunden (Kirchenreform im Sinn von Demokratisierung u. ”Aufwertung “ der ”Laien“, besserer Priesterausbildung, Liturgiereform, Eindämmung des römischen Zentralismus usw.). Verwandte Bestrebungen (”Reformkatholizismus“, ”Amerikanismus“ gegen Ende des 19. Jh.) waren früher entstanden. Schwerpunktthemen in Frankreich, England u. Italien (weniger vehement in Deutschland) waren: Historisch-kritische Erforschung der Bibel u. der Dogmen; Bejahung subjektiver Verantwortung unter dem Primat des Gewissens; gegen die rationale Beweisführung der neuscholastischen Theologie die Bemühung um Glaubenserfahrung; Erneuerung der Kirche als Gemeinschaft mit der Betonung der einzelnen Gemeinde u. ihres sakramentalen Lebens, die durch das kirchliche Amt mit der Gesamtkirche verbunden bleibt. Drei besonders kritisierte Ausprägungen besagten, Religion entspringe dem Unbewußten, somit seien Religion u. Theologie dem Verstand als einer religiös belanglosen Funktion eigentlich nicht zugänglich; bei der Offenbarung Gottes handle es sich um das Bewußtwerden eines inneren religiösen Bedürfnisses, das bei den Offenbarungszeugen nur am deutlichsten ”objektiviert“ sei, u. bei Erstarrung dieser Objektivationen entstehe Tradition; die Dogmen seien nur symbolische Ausdrücke dieser Objektivationen, die sich mit fortschreitender Kultur verändern müßten. Nach harten röm. Stellungnahmen gegen ”moderne“ Auffassungen (wie Gewissens- u. Pressefreiheit) im 19. Jh. führten Papst Pius X. († 1914) u. eine ”Pressuregroup“ in seiner Umgebung eine heftige Kampagne gegen die ”Modernisten“ (Dekret ”Lamentabili “ u. Enzyklika ”Pascendi“ von 1907), bei welcher der M. als ein ”System “ konstruiert u. verurteilt wurde, das faktisch nie bestanden hatte. Die ”Modernisten“, wo erreichbar, wurden verfolgt: Indizierung der Schriften, Schreibverbote, Amtsenthebungen, Exkommunikationen. Ein vom Vatikan 1909 gegründeter Geheimbund ”Sodalitium Pianum“ arbeitete in vielen Ländern mit Spitzelwesen, Verdächtigungen, Verketzerungen u. Denunziationen. Von 1910 bis 1967 existierte, verpflichtend für kirchliche Amtsträger, der ”Antimodernisteneid“ (in den 90er Jahren des 20. Jh. durch sog. Treue-Eide ersetzt). Benedikt XV. († 1922) suchte den schlimmsten Umtrieben ein Ende zu machen. In gewissem Ausmaß lebten einige von ihnen bis zum II. Vaticanum weiter u. wurden von Kreisen der [c darkviolet]Traditionalistenbewegung wieder aufgenommen. ”Modernismus blieb bedauerlicherweise bis heute ein liebloses, gehässiges Schimpfwort der innerkirchlichen, von den Schwierigkeiten des Glaubens in der heutigen Welt nicht angefochtenen Arroganz“ (Rahner-Vorgrimler 1961, 243).
eine Sammelbezeichnung für höchst unterschiedliche Tendenzen u. Bemühungen zunächst um 1900, aus dem berechtigtenWunsch, die wesentlichen Inhalte des christlichen Glaubens den Zeitgenossen verständlich zu vermitteln u. das Gespräch mit modernen Wissenschaften u. Anschauungen zu suchen. Praktische Themen u. Reformvorschläge waren damit verbunden (Kirchenreform im Sinn von Demokratisierung u. ”Aufwertung “ der ”Laien“, besserer Priesterausbildung, Liturgiereform, Eindämmung des römischen Zentralismus usw.). Verwandte Bestrebungen (”Reformkatholizismus“, ”Amerikanismus“ gegen Ende des 19. Jh.) waren früher entstanden. Schwerpunktthemen in Frankreich, England u. Italien (weniger vehement in Deutschland) waren: Historisch-kritische Erforschung der Bibel u. der Dogmen; Bejahung subjektiver Verantwortung unter dem Primat des Gewissens; gegen die rationale Beweisführung der neuscholastischen Theologie die Bemühung um Glaubenserfahrung; Erneuerung der Kirche als Gemeinschaft mit der Betonung der einzelnen Gemeinde u. ihres sakramentalen Lebens, die durch das kirchliche Amt mit der Gesamtkirche verbunden bleibt. Drei besonders kritisierte Ausprägungen besagten, Religion entspringe dem Unbewußten, somit seien Religion u. Theologie dem Verstand als einer religiös belanglosen Funktion eigentlich nicht zugänglich; bei der Offenbarung Gottes handle es sich um das Bewußtwerden eines inneren religiösen Bedürfnisses, das bei den Offenbarungszeugen nur am deutlichsten ”objektiviert“ sei, u. bei Erstarrung dieser Objektivationen entstehe Tradition; die Dogmen seien nur symbolische Ausdrücke dieser Objektivationen, die sich mit fortschreitender Kultur verändern müßten. Nach harten röm. Stellungnahmen gegen ”moderne“ Auffassungen (wie Gewissens- u. Pressefreiheit) im 19. Jh. führten Papst Pius X. († 1914) u. eine ”Pressuregroup“ in seiner Umgebung eine heftige Kampagne gegen die ”Modernisten“ (Dekret ”Lamentabili “ u. Enzyklika ”Pascendi“ von 1907), bei welcher der M. als ein ”System “ konstruiert u. verurteilt wurde, das faktisch nie bestanden hatte. Die ”Modernisten“, wo erreichbar, wurden verfolgt: Indizierung der Schriften, Schreibverbote, Amtsenthebungen, Exkommunikationen. Ein vom Vatikan 1909 gegründeter Geheimbund ”Sodalitium Pianum“ arbeitete in vielen Ländern mit Spitzelwesen, Verdächtigungen, Verketzerungen u. Denunziationen. Von 1910 bis 1967 existierte, verpflichtend für kirchliche Amtsträger, der ”Antimodernisteneid“ (in den 90er Jahren des 20. Jh. durch sog. Treue-Eide ersetzt). Benedikt XV. († 1922) suchte den schlimmsten Umtrieben ein Ende zu machen. In gewissem Ausmaß lebten einige von ihnen bis zum II. Vaticanum weiter u. wurden von Kreisen der [c darkviolet]Traditionalistenbewegung wieder aufgenommen. ”Modernismus blieb bedauerlicherweise bis heute ein liebloses, gehässiges Schimpfwort der innerkirchlichen, von den Schwierigkeiten des Glaubens in der heutigen Welt nicht angefochtenen Arroganz“ (Rahner-Vorgrimler 1961, 243).