Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Messias
   (griech. Lehnwort, gebildet vom hebr. ”maschiach“ = Gesalbter, griech. in der LXX ”christos“, im NT zu dem Eigennamen ”Christus“ geworden). M. bezeichnet im AT die Gesalbten JHWHs, Könige, Hohenpriester usw. (Salbung). In den sogenannten messianischen Texten des AT wird der Begriff M. nicht verwendet (Gen , 14 f.; 49, 10; Num 24, 17; 2 Sam 7, 12–16); die darin ausgesprochenen Rückblicke bzw. Erwartungen konzentrieren sich auf die Dynastie Davids, immer stärker nach dem Exil (Ps 89, 20–46 u. ö.; ”Gesalbter JHWHs“ Ps 2; 18; 28; 84; 89; 132). Jes 7, 10–17, ein auf die nächste Zeit bezogenes Geburtsorakel, wird bei Jes später ebenfalls auf die Erwartung eines neuen David bezogen, ebenso Mich 5, 1–5 mit der Nennung Bethlehems u. sog. messianische Texte bei Jer u. Ez, Hag u. Sach. Mit der zeitlichen Entfernung von der Königsdynastie nimmt diese Erwartung eschatologisch-apokalyptische Gestalt an. Sie wird in frühjüdischen Schriften thematisiert, bildet aber keineswegs den zentralen Inhalt des jüdischen Glaubens. Das NT bezeugt, daß die frühchristliche Gemeinde schon früh den Titel M. für Jesus in Anspruch genommen hat (vorpaulinische Formel 1 Kor 15, 3 ff.), z.T. in eschatologischer Charakterisierung, z.T. unter Behauptung einer Abstammung von David. Paulus verwendet M. als Titel, wenn er über das Heilswirken Jesu spricht. Besonders entfaltet ist die M.-Christologie bei Mt (ein gewisser Höhepunkt das M.-Bekenntnis des Petrus Mt 16, 16). Probleme der Auseinandersetzung um den M. u. Jesus spiegelt Joh wider. Offenbar war das Bekenntnis der Jesusanhänger zu ihm als dem M. der Anlaß, sie aus den Synagogen auszuschließen (9, 22; 12, 42 f.). Das Selbstbekenntnis Jesu vor dem HohenpriesterMk 14, 62 gilt in heutiger exegetischer Sicht ebenso wie das Petrus-Bekenntnis als spätere frühgemeindliche Bildung. Die christliche M.-Behauptung weist Züge auf, die den jüdischen Erwartungen völlig fremd waren (der M. ein starker König u. Krieger, Jesus gewaltlos; Jesus einerseits leidend u. hingerichtet, anderseits Gottessohn). Überzeugende Gründe (außer der Trennung von der jüdischen Glaubensgemeinschaft) für die Übernahme u. Verfremdung des M.-Titels durch die Christen sind nicht vorgebracht worden (genannt werden die religiösen Inhalte des Begriffs ”Gesalbter“ u. die Vollmachtsgestalt der Verkündigung Jesu). Das Judentum kannte auch nach der Katastrophe von 70 n.Chr. immer wieder ”messianische Erwartungen“ (extrem deutlich beim Aufstand des Bar Kochba †135) im Sinn einer Hoffnung auf baldige Errettung, Befreiung u. Heimführung Israels, doch waren diese nicht signifikant für das gesamte Judentum. Impulse des modernen Judentums, die das Befreiungspotential der M.-Idee gegen Resignation u. hoffnungslose Anpassung nutzen wollten, wurden auch in der Politischen Theologie (messianische gegen bürgerliche Religion) u. in der Befreiungstheologie in Anspruch genommen. In der Christologie der klassischen Theologie spielt der M.-Titel keine bedeutende Rolle. Nur vereinzelt wird noch behauptet, das Bekenntnis zu Jesus als dem M. (Israels!) sei Mitte u. Norm des christlichen Bekenntnisses; Jesus als absoluter Heilbringer habe die Verheißungen des AT überboten usw. Um Jesu Qualität als Sohn Gottes u. seine göttliche Sendung zum Ausdruck zu bringen, bedarf es des M.-Titels nicht. Christen haben keinen Grund, die Erwartungen begrenzter jüdischer Kreise auf das Kommen eines Israel rettenden M. zu beerben. Die ”Entwendung“ gehört zum Beginn einer leidvollen Feindschaft, die schließlich nach Auschwitz führte.
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