Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Logos
   (griech. = Wort).   1. Philosophisch bedeutet L. zunächst das sammelnde u. ordnende Denken (bei Heraklit † um480 v.Chr. die ”Weltordnung“), bei Platon († 347 v.Chr.) die argumentativ begründete Wahrheitsaussage, die begriffliche Definition u. die Tätigkeit der erkennenden Vernunft. Bei Aristoteles († 322 v.Chr.) gilt die Aufmerksamkeit dem L. als vernunftgemäßer Rede. In der Stoischen Philosophie wird der L. als universales, bestimmendes, vernünftiges Weltprinzip angesehen, dem der Mensch sich durch sein ethisches Verhalten, besonders durch das Beherrschen der Affekte, möglichst weitgehend angleichen soll. Bedeutsam auch für seinen Einfluß im Christentum ist das Logosdenken des jüdischen Philosophen Philon († um 50 n.Chr.): Der L. ist ”ersterzeugter“ Sohn Gottes, Urbild der sichtbaren Welt, welt-schöpferische Kraft, Vermittler zwischen Gott u. seiner Schöpfung. In der sichtbarenWelt gibt es Abbilder dieses L., im Menschen (wie in der Stoischen Philosophie) den inneren, vernünftigen L. u. den sprachlich sich äußernden L. Bei dem neuplatonischen Philosophen Plotin († 270) wird das Logosdenken mit der Spekulation über Hypostasen in Verbindung gebracht: Der L. geht aus einer Hypostase als vernunftgemäße, geistige Einwirkungsform zu einer niedrigeren Hypostase über, ist aber nicht selberHypostase. Da alle Verwirklichungen so jeweils durch einen L. mit der höheren ”Stufe“ verkettet sind, bedeuten Existenz u. Wirken des L. gleichzeitig die Rückbindung von Allem an das göttliche Eine. Auf diese Gedanken griff die neuzeitliche Existentialontologie (G. Marcel † 1973) zurück.
   2. Biblisch. Das Wort Gottes (in den prophetischen u. weisheitlichen Büchern des AT in der LXX mit L. wiedergegeben) ist jene Selbstmitteilung Gottes, durch die er Schöpfung u. Geschichte gestaltet u. lenkt, Leben schenkt u. wieder an sich nimmt. Ihre letztgültige Gestalt nahm die Selbstkundgabe Gottes in seinem Wort in Jesus Christus an. Besondere Bedeutung innerhalb des NT u. in der exegetischen Diskussion hat der L. im Prolog des Joh-Ev. (1, 1–18). Danach war der L. in Präexistenz mit dem einen Gott eins; er war dessen Schöpfungsmittler (Aussage der Güte der Welt); er wurde ”Fleisch“ (Inkarnation) u. als ”Einziggezeugter“ Mittler der Gotteskindschaft an die Menschen (Verbindung aller Schöpfung zum einen Ursprung). In der exegetischen Forschung wird die Verbindung dieses (wohl von Philon beeinflußten) Logosdenkens mit der frühjüdischen Weisheits-Spekulation, die ebenfalls Präexistenzvorstellungen kannte, untersucht. Möglicherweise wendet sich das johanneische Schrifttum mit der Logostheologie gegen zwei Richtungen, einmal gegen eine ”Geistchristologie“, in der die Qualität Jesu erst von seiner Taufe an datiert wurde; zum andern gegen solche, die eine wirkliche Inkarnation bezweifelten (1 Joh 4, 2 mit 1, 2).
   3. Theologiegeschichtlich. Von den Apostolischen Vätern an wird die offenbar von Philon beeinflußte Logoschristologie aufgegriffen (göttlicher Ursprung, Schöpfungsmittlerschaft). Eine Logos-Sarx-Christologie wurde im 4. Jh. weithin vertreten: der göttliche L. sei ohne menschliche Seele unmittelbar mit der menschlichen Sarx verbunden worden, so daß er die Rolle der Seele übernommen hätte (Arianismus, Apollinarismus), weil Jesus durch eine menschliche Seele zu einem ”bloßen Menschen“ gemacht worden wäre, der nicht hätte erlösen können. Eine Rolle spielte das Logosdenken in der Theologie von Zeichen u. Wort (”verbum“) bei Augustinus († 430). In der späteren Theologie geht es in die unterschiedlichstenWortspekulationen ein. Neue Aktualität gewinnt es in den Überlegungen zur Trinität Gottes, in der festgestellt wird, daß die eine ”Gegebenheitsweise“ und geschichtliche Selbstaussage Gottes besser L. als analog-mißverständlich ”Sohn Gottes“ genannt würde.
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