Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Limbus
   (lat. = Saum, Rand), in älterer deutscher Literatur oft ”Vorhölle“. In der Frühscholastik (11. Jh.) wurde eine Lehre über einen Ort u. Zustand, L. genannt, entwickelt, später von Thomas von Aquin († 1274) systematisiert u. zur allgemeinen Geltung gebracht, im Hinblick auf Verstorbene, die von Gott weder mit Seligkeit beschenkt noch mit Verdammung bestraft werden würden. Es handelte sich um eine Reaktion gegen den sonst jahrhundertelang maßgebenden Theologen Augustinus († 430), der ”wissend“ die Meinung vertrat, die ohne Taufe verstorbenen Kinder würden für immer in die Feuerhölle geworfen, wenn dort auch mild bestraft für eine ”Sünde“, die sie sich nur von ihren Eltern erbend zugezogen hätten. In der Lehre vom L. wurde der ”limbus puerorum“ für Kinder unterschieden vom ”limbus patrum“ für die vor der Auferweckung Jesu verstorbenen atl. Gerechten u. die frommen Heiden. Im L. war den Insassen die Anschauung Gottes (wegen des Fortbestehens der Erbsünde) versagt; sie wurden überdies mit sinnenhaften Strafen (”poenae sensus“) gepeinigt, jedoch nicht so stark wie die Verdammten. Im Zug der theol. Reflexion wurden diese Strafen gemildert u. schließlich verneint; statt dessen sprach man von einer Art ”natürlicher Seligkeit“. Biblische Anhaltspunkte waren die Texte über die Scheol, über den ”Schoß Abrahams“ (Lk 16, 22) u. über den Höllenabstieg Jesu Christi . Die Lehre vom L. wurde von der röm.-kath. Theologie allgemein vertreten, war jedoch nie Gegenstand einer verbindlichen amtlichen Lehräußerung. Die Theologie der Neuzeit erwog verschiedene Möglichkeiten, auch unmündigen Kindern die Möglichkeit einer ewigen Seligkeit zuzugestehen. Eine bloß natürliche Seligkeit wurde mit der Klärung des Verhältnisses von Natur u. Gnade abgelehnt. Schließlich setzten sich die Überzeugungen von einem universalen, wirksamen Heilswillen Gottes u. von einem übernatürlichen Existential durch. Der L. als Produkt einer wissenden Theologie ist heute aufgegeben.
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