Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Liberale Theologie
   Ende des 18. Jh. aufkommender Begriff für eine ”aufgeklärte “ Richtung der ev. Theologie, die Christentum u. Religionen im allgemeinen als vernünftig u. nützlich aufzeigen u. die Vereinbarkeit des mündigen Glaubens mit dem menschlichen Freiheitsanspruch nachweisen wollte. Bei frühen Vertretern wie D. F. Strauß († 1874) u. F. Ch. Baur († 1860) wurde das Christentum noch als höchste Form aller Religionen angesehen, während es später unter dem Eindruck der religionsgeschichtlichen Schule (E. Troeltsch †1923) relativiert wurde. Unter dem Einfluß von F. Schleiermacher († 1834) u. A. Ritschl († 1889) verstanden Vertreter der ”kritischen“ oder ”rein geschichtlichen“ Theologie die dogmatische Glaubenslehre als Objektivation des subjektiven Glaubens (A. von Harnack † 1930). Die von Ritschl herkommende, bis zur Gegenwart einflußreiche L. Th. betont die Praxis der Nächstenliebe u. verlangt die Verwirklichung der Herrschaft Gottes in einer veränderten Gesellschaft (ethische Basis der Dogmatik). Ein folgenreiches Ergebnis der Liberalen Theologie war die weit verbreitete, z.T. extreme Bibelkritik. Das Erbe der liberalen Impulse im 19. u. in der ersten Hälfte des 20. Jh. lebt in einer positiven Bewertung der nichtchristlichen Religionen, in der Bejahung moderner Kultur u. Gesellschaftsformen, in Zurückhaltung gegenüber dogmatischen Ansprüchen u. in der Suche nach der Überbrückung konfessioneller Gegensätze weiter. ”L. Th.“ war ein polemischer Begriff, mit dem v. a. lutherische Theologen u. die Vertreter der Dialektischen Theologie , wie sie meinten, die Auflösung der Glaubenssubstanz u. die falsche Anpassung an die ”Welt“ bekämpfen konnten.
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