Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Lehramt
   (lat. ”magisterium“) bezeichnet im kath.-theol. Sprachgebrauch die rechtlich gefaßte Befähigung der kirchlichen Leitungsinstanz zur Weiterbezeugung der Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus. Die zugrunde liegende theol. Überzeugung besagt: Weil die Kirche die endgültige u. unüberholbare Selbstbezeugung Gottes unverfälscht zu hüten u. weiterzugeben hat, kann sie als ganze aus der von der Gnade Gottes geschenkten u. erschlossenen Wahrheit nicht herausfallen. Biblische Grundlagen sind einerseits die Zeugnisse über Gegenwart u. Wirken des Heiligen Geistes , anderseits die hervorgehobene Rolle der Zwölf u. Apostel (Apostolizität der Kirche ). Sorge um die Identität der kirchlichen Lehre zeichnet sich schon in den Pastoralbriefen des NT ab. Sie hatte weitere institutionelle Festlegungen zur Folge (Regula fidei ; biblischer Kanon; Amt des Bischofs; Successio apostolica ; Synoden). Die Ausbildung einer wissenschaftlichen Theologie in der Zeit der Scholastik führt zu einem Konkurrenzdenken von wissenschaftlicher Theologie u. päpstlichem Entscheidungsanspruch, das vom letzteren für sich entschieden wurde. Mit der Reformation des 16. Jh. werden Glaubens- u. Lehrkompetenz aller Glaubenden deutlicher ins Bewußtsein gehoben. Die Fragen nach dem Glaubenssinn aller Getauften u. nach der Rezeption können auch im kath. Bereich nicht völlig zum Verstummen gebracht werden, obwohl die Entwicklung in der röm.-kath. Kirche auf die dogmatische Formulierung der höchsten, universal verbindlichen Lehrkompetenz des Papstes (I. Vaticanum) zuläuft. Trotz der Ausgleichsbemühungen des II. Vaticanums versuchen die Autoritäten des röm. Lehramts ihre Kompetenzen auszuweiten u. mit Strafandrohungen (besonders 1983 u. 1990) Unterwerfung zu fordern. Sie unterscheiden zwischen authentischen, definitiven (also jeden Dialog beendenden) u. unfehlbaren Urteilen bzw. Maßnahmen des Lehramts. Zu den unfehlbaren Äußerungen: Dogma. Bei nicht dogmatisch definierten, aber ”authentischen“ (Unterwerfung fordernden) Lehräußerungen können der Lehrautorität Irrtümer unterlaufen u. sind ihr faktisch Irrtümer unterlaufen. Sie hat faktisch auch nicht selten zur vermeintlichen Wahrung der eigentlichen ”Glaubenssubstanz“ unangemessen hart u. ungerecht, d. h. unmoralisch, gehandelt. Da es Aufgabe des Lehramts ist, nicht nur sachlich richtig zu entscheiden, sondern auch um eine größtmögliche Wirksamkeit seiner Entscheidungen u. Weisungen bemüht zu sein, hat es nicht das Recht, sich auf seine bloße formale Autorität zu berufen; es hat dem hörenden Gegenüber seine Lehre u. Entscheidungen argumentativ zu begründen u. nachzuweisen, inwiefern diese in einer Beziehung zum göttlichen Heil des Menschen stehen. Da es bei seinen Entscheidungen keinerlei neue Offenbarung des Heiligen Geistes erhält, hat es dem hörenden Gegenüber verständlich zu machen, wie es seine Einsichten aus der Ganzheit des in der Kirche lebendigen Glaubens an die Offenbarung Gottes gewonnen hat. Da seit dem Konzil von Trient eine immer größere Ausweitung in der Produktion von Enzykliken, Instruktionen usw. zu beobachten ist, läßt sich nicht verheimlichen, daß sich das kirchliche L. angesichts des unbestreitbaren theol. Pluralismus auswählend instrumentell einer bestimmten Theologie bedient. Es ist das Recht des hörenden Gegenübers des Lehramts, Aufschluß über die Gründe einer solchen Auswahl zu fordern. Zur möglichen Verweigerung einer Zustimmung (die nicht notwendigerweise Häresie oder Schisma ist): Konsens, Rezeption .
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