Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Judentum, Israel
Hier geht es nicht um die immensen Kulturleistungen des Judentums oder um seine moderne Geschichte, sondern um die religiös-theol. relevante Geschichte Israels u. um die fundamentalen Inhalte seines Glaubens. 1. Zur Geschichte. Die Existenz des alten Israel (hebr., Deutung unsicher, vielleicht ”Gott = El möge streiten“ oder ”Gott möge herrschen“) ist nicht nur in der Bibel, sondern auch in außerbiblischen Quellen bezeugt. Die Bibel berichtet von Wanderungen der Patriarchen (Abraham) in Palästina, von der Knechtschaft in Ägypten mit dem Exodus als fundamentaler Befreiungserfahrung u. von anschließender Wüstenwanderung derMosegruppe. Trotz unterschiedlicher Hypothesen wird der Beginn der Geschichte Israels von vielen mit der 2. Hälfte des 13. Jh. v.Chr. u. der sog. Landnahme (wohl ein Umschichtungsprozeß innerhalb Kanaans) angesetzt. (Aus dieser Zeit ist außerbiblisch ein Stamm ”Hapiru“ bezeugt, von dem sich möglicherweise der Begriff ”Hebräer“ ableitet.) Ein Verband von Stämmen hatte den Gott El verehrt u. sich daher Israel genannt. Nomadische Einwanderer aus dem Sinai brachten die Jahwe-Verehrung nach Kanaan, wo El allmählich mit JHWH gleichgesetzt wurde. Soziologisch war dieses Volk durch Blutsverwandtschaft, relative Armut u. Struktur in 12 Stämmen ohne zentrale Leitungsinstanz (aber mit ”Richtern “) charakterisiert. Infolge verschiedener Bedrängnisse wurden Versuche zur Staatsbildung unternommen, die schließlich zur Einsetzung Sauls (um 1014 v.Chr.) als König führten. David begründete Israel als (multinationales) Großreich u. machte Jerusalem zur Hauptstadt. Sein Nachfolger Salomo (965–926) erbaute den Tempel als Staatsheiligtum: JHWH als in der Nachbarschaft des Königs auf dem Zion thronender Gott. Nach Salomos Tod zerfiel das Reich in zwei Teile. Das Nordreich erhielt den Namen Israel mit eigenen Heiligtümern u. erst später der Hauptstadt Samaria, mit heftigen Auseinandersetzungen der Anhänger des Gottes Baal mit den Verehrern JHWHs (die Propheten Elija u. Elischa), später mit dem warnendenWirken der Propheten Amos u. Hosea, mit vielen Bedrängnissen u. Unruhen, bis das Staatsgebiet sukzessiv von Assyrien erobert wurde; die Hauptstadt Samaria fiel 722 v.Chr., viele Bewohner wurden nach Assyrien deportiert. Das Südreich führte den Namen Juda mit Jerusalem als Hauptstadt u. dem Zion als Heiligtum, war aber ein assyrischer Vasallenstaat (Wirken des Propheten Jesaja im 8. Jh. v.Chr.); nach einem Aufschwung (Reform des Joschija) zuerst Vasallenstaat Ägyptens, dann Babyloniens (Wirken der Propheten Jeremia u. Ezechiel); nach Aufständen Eroberung u. Zerstörung Jerusalems 586 v.Chr., Deportation vieler Bewohner ins babylonische Exil, wo sie ihre Religion behalten durften. Unter der Herrschaft der Perser wurden die Rückwanderung u. der Wiederaufbau des Tempels (515 v.Chr. eingeweiht) sowie ein eigenes Recht gestattet (Esra u. Nehemia). Von der selbständigen Provinz Juda im 5. Jh. leitet sich nun der von außen gegebene u. verwendete Name ”Juden“ ab; ”Judentum“ wird die Bezeichnung einer offiziell anerkannten Religion, deren Grundlagen die gemeinsame Geschichte u. die ein Volk bildenden Verwandtschaftsverhältnisse sind. Im 4. Jh. begann die Zugehörigkeit dieses jüdischen Gebietes zum hellenistischen Staat der Ptolemäer unter Beibehaltung einer relativen Selbständigkeit (von nun an bedeutende Rolle der Hohenpriester u. des Hohen Rats). Auf dem Gebiet des früheren Nordreichs spalten sich die Samaritaner mit einem eigenen Tempel auf dem Garizim ab. Eine bedeutende Judengruppe lebt in Alexandrien, führt zur Vermittlung von jüdischer u. griechischer Mentalität u. hat eine hohe Kultur (Entstehung der LXX). Als auf die Ptolemäer die Seleukiden folgten, wurden die jüdischen religiösen Rechte beseitigt (167 v.Chr. wird der Tempel dem griech. Hauptgott Zeus gewidmet), so daß es zu den Aufständen der Hasmonäer u. Makkabäer kam. Trotz religiöser Freiheit nahm die Verweltlichung zu, so daß oppositionelle fromme Gruppen entstanden (Chassidim, Qumran-Leute, Essener, Pharisäer). 63 v.Chr. erfolgten die Besetzung durch die Römer unter Pompeius u. eine territoriale Neugliederung unter Beibehaltung der religiösen Rechte. Der Idumäer Herodes († 4 v.Chr.) war römischer Vasallenkönig eines großen Reiches; er suchte die Juden u. a. durch Umbau, Vergrößerung u. Verschönerung des Tempels für sich zu gewinnen. Unruhen gegen die Römer begannen schon zu seiner Zeit u. führten 66 n.Chr. zu dem großen Aufstand, der 70 n.Chr. mit der Zerstörung Jerusalems u. des Tempels endete. Ein neuer Aufstand unter Bar Kochba endete äußerst verlustreich 135 n.Chr. Von nun an durften Juden das frühere Jerusalem, nun Colonia Aelia Capitolina, nicht mehr betreten; das ganze Territorium war die römische Provinz Syria Palaestinae (Palästinas Name von den früheren jüdischen Feinden, den ”Philistern“, abgeleitet).
2. Zum Glauben Israels. Israel versteht sich laut ältestem Beleg im Debora-Lied (Ri 5) als ”Volk JHWHs“, geeint durch gemeinsamen Glauben, gemeinsame Geschichte u. besondere Beziehung zu seinem Land, als JHWH-Gemeinschaft, Volk Gottes (Ri 20, 2; 2 Sam 14, 14), gerade auch in seiner Stämmeordnung eine Gründung JHWHs. Diese Zugehörigkeit äußerte sich schon früh in der ausschließlichen Verehrung JHWHs, neben dem zunächst die Existenz anderer Götter nicht geleugnet wurde (Monolatrie). Die Identifizierung JHWHs mit dem kanaanäischen Schöpfergott El führte zum Bekenntnis Israels zu seinem Gott als dem einzigen Schöpfer des Himmels u. der Erde. Die Bejahung der Gutheit der Schöpfung als solcher (nicht der Zustände in ihr) u. daher der dankbare Genuß ihrer Güter gehört wesentlich zur jüdischen Religiosität. Diese Glaubensinhalte hielten sich auch nach der Teilung in zwei Reiche durch. Unerschüttert blieb das Bewußtsein, erwähltes Gottesvolk zu sein, vertieft durch den Glauben an den Bund (Dekalog) u. durch die Verpflichtung auf die Tora. Die Umwandlung derMonolatrie in den Monotheismus ist höchstwahrscheinlich der Besinnung während des Exils in Babylonien zu verdanken (Dtn 4, 35 39: ”JHWH ist der Gott, keiner sonst außer ihm“). Eine theol. Krise stellte das babylonische Exil insofern dar, als die Frage aufkam, ob die Deportierten oder die Verbliebenen das ”wahre Israel“ seien. Nach der Rückkehr wurde an die alten Traditionen angeknüpft, aber immer wieder wurde nach der Identität Israels gefragt (sind es die Armen? die Frommen?). Je mehr die staatliche Souveränität verlorenging, umso stärker wurde die Gemeinschaftsbildung durch die kultische Gottesverehrung u. durch das Ritual von Beschneidung u. Sabbat betont. Allerdings führten äußere u. innere Gründe dazu, daß die Bildung kleiner Glaubensgemeinschaften abseits des Tempelkults mit seinen Opfern notwendig für das religiöse Überleben wurde: Wortgottesdienste in Synagogen wurden eingeführt. Je größer die äußeren Bedrängnisse nach dem Wiederaufbau des Tempels waren, umso größer wurde die eschatologische Hoffnung, sowohl auf individuelle Rettung durch Gott als auch auf radikale, verwandelnde Erneuerung der Schöpfung, genährt durch prophetische u. apokalyptische Verheißungen. Der Glaube hielt daran fest, daß Gott Israel ”wiederherstellen“ werde, mit oder ohne Hilfe eines Messias. Je unbedeutender Israel in der Politik war, desto deutlicher wurde seine Erwählung als Dienst auch für andere wahrgenommen (Universalismus des Heilswillens Gottes, geoffenbart in der Prophetie der Völkerwallfahrt). Seit der Katastrophe des Jahres 586 v.Chr. kam es in Israel immer wieder u. kommt es auch im heutigen Judentum zu Widersprüchen zwischen weltoffenen, reformorientierten Tendenzen u. der Religiosität von Sondergruppen, die sich als ”Kern-Israel“ u. als Hüter der alten Glaubens- u. Sittentraditionen verstehen. Diese Pluralität verbietet es, von ”den Juden“ oder ”dem Judentum “ zu sprechen.
2. Zum Glauben Israels. Israel versteht sich laut ältestem Beleg im Debora-Lied (Ri 5) als ”Volk JHWHs“, geeint durch gemeinsamen Glauben, gemeinsame Geschichte u. besondere Beziehung zu seinem Land, als JHWH-Gemeinschaft, Volk Gottes (Ri 20, 2; 2 Sam 14, 14), gerade auch in seiner Stämmeordnung eine Gründung JHWHs. Diese Zugehörigkeit äußerte sich schon früh in der ausschließlichen Verehrung JHWHs, neben dem zunächst die Existenz anderer Götter nicht geleugnet wurde (Monolatrie). Die Identifizierung JHWHs mit dem kanaanäischen Schöpfergott El führte zum Bekenntnis Israels zu seinem Gott als dem einzigen Schöpfer des Himmels u. der Erde. Die Bejahung der Gutheit der Schöpfung als solcher (nicht der Zustände in ihr) u. daher der dankbare Genuß ihrer Güter gehört wesentlich zur jüdischen Religiosität. Diese Glaubensinhalte hielten sich auch nach der Teilung in zwei Reiche durch. Unerschüttert blieb das Bewußtsein, erwähltes Gottesvolk zu sein, vertieft durch den Glauben an den Bund (Dekalog) u. durch die Verpflichtung auf die Tora. Die Umwandlung derMonolatrie in den Monotheismus ist höchstwahrscheinlich der Besinnung während des Exils in Babylonien zu verdanken (Dtn 4, 35 39: ”JHWH ist der Gott, keiner sonst außer ihm“). Eine theol. Krise stellte das babylonische Exil insofern dar, als die Frage aufkam, ob die Deportierten oder die Verbliebenen das ”wahre Israel“ seien. Nach der Rückkehr wurde an die alten Traditionen angeknüpft, aber immer wieder wurde nach der Identität Israels gefragt (sind es die Armen? die Frommen?). Je mehr die staatliche Souveränität verlorenging, umso stärker wurde die Gemeinschaftsbildung durch die kultische Gottesverehrung u. durch das Ritual von Beschneidung u. Sabbat betont. Allerdings führten äußere u. innere Gründe dazu, daß die Bildung kleiner Glaubensgemeinschaften abseits des Tempelkults mit seinen Opfern notwendig für das religiöse Überleben wurde: Wortgottesdienste in Synagogen wurden eingeführt. Je größer die äußeren Bedrängnisse nach dem Wiederaufbau des Tempels waren, umso größer wurde die eschatologische Hoffnung, sowohl auf individuelle Rettung durch Gott als auch auf radikale, verwandelnde Erneuerung der Schöpfung, genährt durch prophetische u. apokalyptische Verheißungen. Der Glaube hielt daran fest, daß Gott Israel ”wiederherstellen“ werde, mit oder ohne Hilfe eines Messias. Je unbedeutender Israel in der Politik war, desto deutlicher wurde seine Erwählung als Dienst auch für andere wahrgenommen (Universalismus des Heilswillens Gottes, geoffenbart in der Prophetie der Völkerwallfahrt). Seit der Katastrophe des Jahres 586 v.Chr. kam es in Israel immer wieder u. kommt es auch im heutigen Judentum zu Widersprüchen zwischen weltoffenen, reformorientierten Tendenzen u. der Religiosität von Sondergruppen, die sich als ”Kern-Israel“ u. als Hüter der alten Glaubens- u. Sittentraditionen verstehen. Diese Pluralität verbietet es, von ”den Juden“ oder ”dem Judentum “ zu sprechen.