Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Johanneische Schriften
   Dem ”Jünger Jesu Johannes“ schreibt Irenäus von Lyon († um 202) unseres Wissens als erster das Evangelium (Joh), zwei Briefe (1 u. 2 Joh) u. die Apokalypse (Offb) zu. a) Das Evangelium unterscheidet sich in größtem Ausmaß von den drei Synoptischen Evangelien , vor allem im Prolog (Logos) u. in den großen Jesusreden. Es kennt mehrere Aufenthalte Jesu in Jerusalem (mit wiederholten Auseinandersetzungen mit ”den Juden“). Es erzählt von Zeichen, mit denen Jesus sein eigenes Geschick deutet. Öfter tritt das Menschsein Jesu hinter seine Göttlichkeit zurück. An die Stelle der Ankündigung der Herrschaft Gottes durch Jesus (Synoptiker) tritt die Verheißung des Ewigen Lebens . Zu dem Auseinandersetzungs-Stil des Joh gehört eine stark dualistische Prägung (Licht, Weg, Wahrheit). Da der Text nicht einheitlich ist (deutliche ”Brüche“ z. B. in der Eschatologieauffassung Joh 5 u. in der Wertung des ”Fleisches“ in der Eucharistierede Joh 6), geht man heute von einer längeren Entstehungszeit aus. Einflüsse des hellenistischen Judentums u. der LXX sind nachgewiesen. Hypothetisch wird von Kleinasien als Region der Entstehung u. den Jahren um 90 als Zeit der Fertigstellung ausgegangen. – b) Unter dem Namen Johannes enthält das NT drei Briefe. 1 Joh handelt von der Gemeinschaft mit Gott u. von der Liebe; Auseinandersetzungen deuten auf das Bestehen von ”frommen Konventikeln“ (M. Rese) hin. Auch 2 Joh thematisiert die Liebe u. warnt vor Irrlehrern. 3 Joh bezeugt ebenfalls Spaltungen in der christlichen Gemeinde. Die Verfasserfrage ist nicht geklärt, Entstehungszeiten u. Orte sind unsicher. – c) Die Offenbarung des Johannes ist eine Apokalypse (Apokalyptik) mit der Absicht der Tröstung u. Stärkung der bedrängten Christengemeinden, die dadurch ermutigt werden sollen, daß ihnen die Herrschaft Gottes über die Weltgeschichte, allem Anschein zum Trotz, die Heils- u. Herrschaftsfunktion Jesu Christi, die Untaten der bösen Mächte u. ihrer weltlichen Handlanger deutlich gemacht werden, sie auf einen gewaltigen Endkampf vorbereitet werden u. ihnen das Kommen der neuen Welt Gottes, des himmlischen Jerusalem u. das baldige Kommen Jesu (Parusie) in Aussicht gestellt werden. Die Bildersprache ist stark emotional u. mythologisch gefärbt. Ob der Verfasser, der sich selber als ”Johannes“ bezeichnet u. als Ort der Visionen die Insel Patmos angibt, mit einem biblischen Johannes identisch ist, läßt sich nicht eruieren. Adressaten der Offb sind wohl die in 7 ”Sendschreiben “ (2, 1 – , 22) genannten kleinasiatischen Stadtgemeinden. Hinweise auf Kaiserkult u. Christenverfolgung deuten auf die Zeit des Kaisers Domitian († 96) als Abfassungszeit hin. Die Offb versteht die Glaubenden als Schar der von Gott Auserwählten u. Geretteten u. läßt für ihre heidnischen u. jüdischen Gegner weder Mitleid noch Feindesliebe erkennen.
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