Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Inspiration
   (lat. = die Einhauchung, Eingebung) bezeichnet den charismatischen Einfluß Gottes auf die Verfasser der Heiligen Schrift , durch den Gott in einem besonderen Sinn ”Urheber“ des Alten oder Ersten u. des Neuen Testaments wird u. der bewirkt, daß diese das irrtumslose Wort Gottes darstellen, ohne daß dadurch die menschlichen Verfasser aufhören würden, die literarischen Autoren ihrerWerke zu sein. Die I. unterscheidet sich von der göttlichen Offenbarung an u. durch Propheten, insofern diese zur mündlichen Verkündigung bestimmt ist. In frühjüdischen Schriften u. in Spätschriften des NT zeigen sich Reflexionen über die I. (2 Tim , 16; 2 Petr 1, 20 f.) durch das heilige Pneuma Gottes. Die aus einem Reflexionsprozeß hervorgehende Glaubenserkenntnis der alten Kirche, welche Schriften das Wort Gottes enthalten, führte zur Bildung des biblischen Kanons. Unter den Kirchenvätern wandten sich besonders Origenes († 253), Ambrosius († 397) u. Augustinus († 430) der I. zu. In der Scholastik wurde mit Hilfe der Unterscheidungen der Kausalitäts-Theorie zwischen Gott als der Prinzipalursache (oder als ”auctor principalis “) u. den Menschen als Instrumentalursache (”auctores secundarii“) unterschieden. Mit dem Aufkommen historisch-kritischer Fragen an die Bibel u. mit der Betonung des Wortes Gottes in der reformatorischen Theologie geht das Verständnis der I. in zwei Richtungen auseinander: Als Verbalinspiration wird die Theorie bezeichnet, der Heilige Geist habe nicht nur die Aussageinhalte vermittelt, sondern die einzelnenWorte der Schrift diktiert. Nach den Vertretern der Realinspiration garantiert der göttliche Geist nur die Wahrheit der Inhalte, nicht die Richtigkeit der einzelnen Worte. Beide Theorien haben kath. u. ev. Vertreter. Die radikale Bibelkritik verneinte die I., das I. Vaticanum bejahte sie u. bezeichnete Gott als ”auctor “ der Heiligen Schrift in allen ihren Teilen. In einer viel beachteten Theorie interpretierte K. Rahner († 1984) die I. der Schrift als Moment an der Urheberschaft Gottes bei der Verwirklichung der Kirche: Der charismatische Einfluß Gottes bei der Niederschrift der biblischen Texte bewirkte, daß sie dasjenige zum Inhalt haben, was Gott selber durch sie sagen wollte, nämlich daß sie irrtumsfreier Ausdruck der Glaubensunterweisung der auf der apostolischen Predigt beruhenden Kirche sind, so daß diese Schriften zugleich das Wort der inspirierten Verfasser u. die ”normative Objektivation des Glaubens der Urkirche“ u. in beidem das in menschlichen Worten wiedergegebene Wort Gottes sind (wobei die menschlichen Worte also ”mehr“ sind als nur äußeres Sprachgewand, wie die Theorie der Realinspiration meinte). Das II. Vaticanum unterschied zwischen Gott als dem ”Urheber“ u. den Menschen als den ”echten Verfassern“ der Heiligen Schrift, in der ”die Wahrheit“ enthalten ist, ”die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte“ (DV 11 ). Damit ist nicht ausgeschlossen, daß biblische Aussagen, die mit derWahrheit um des menschlichen Heiles willen nicht in einem inneren Zusammenhang stehen, menschliche Fehler u. Irrtümer enthalten. Da die Bemühungen um die Erkenntnis dieser Wahrheit u. um das intensive u. extensive Wachstum in der Wahrheitserkenntnis ein von der Selbstmitteilung Gottes getragenes Geschehen sind, können die I. der Schrift u. die I. des Glaubensgeschehens in einem inneren Zusammenhang unter der Urheberschaft Gottes gesehen werden.
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