Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Inkarnation
(lat. = Fleischwerdung), von Joh 1, 14 aus gebildeter Begriff für das zentrale Mysterium des Christentums, wobei ”Fleisch“ (Sarx) die ganze endliche u. sterbliche Wirklichkeit des Menschen meint, in der griech. Form ”sarkosis“ von Irenäus von Lyon († um 202) verwendet. Der Begriff leidet an einer gewissen Unschärfe, ist aber nicht so irreführend wie ”Menschwerdung“ (u. Gottmensch). Die dogmatische Formulierung des Konzils von Chalkedon 451 verwendet das Denkmodell der Hypostatischen Union , in der die menschliche Natur Jesu Christi vom göttlichen Logos (Wort) für immer als ihm eigene angenommen wurde. I. bezeichnet so in bestimmter Hinsicht ein Werden Gottes zu dem, was er nicht ”immer schon“ war, aber nicht seine Verwandlung in etwas anderes. Die Formulierung ”menschliche Natur“ läßt nicht deutlich erkennen, was mit ihr gemeint ist: Menschsein mit allem, was dazu gehört, menschliches Bewußtsein, das fragend u. anbetend sich als völlig verschieden von Gott versteht, begrenzte Erkenntnis mit Lernen u. Wachsen, Einbindung in soziale Verhältnisse u. Umwelt, spontane Subjektivität mit Gefühlen u. Freiheit (die durch die Einheit mit Gott wächst u. nicht abnimmt), Leiden u. Sterbenmüssen. Dieses wahreMenschsein ist der heutigenMentalität nicht so fremd wie seine Einheit mit dem lebendigen, unbegreiflichen Gott. Zu den Fragwürdigkeiten gehört die Erklärung des Motivs der I. durch die Satisfaktionstheorie Anselms von Canterbury († 1109), als sei die I. die notwendig gewordene Antwort Gottes auf die Sünde der Menschheit. Sowohl in der alten griech. Theologie mit ihrer Auffassung von einer Vergöttlichung der Menschheit als auch in der mittelalterlichen Erhöhungs-Christologie stand ein anderes Motiv im Hintergrund. Heutiges Nachdenken über die I. kann von der Offenheit des Geschöpfes Mensch für Gott ausgehen (Transzendenz), die sich aktualisiert als dauerndes, fragendes Verwiesensein des Erkennens u. Wollens auf Gott, als Frage. Die Selbstmitteilung Gottes an den Menschen wäre eine mögliche freie u. radikal höchste Antwort Gottes auf diese Frage. In diesem Zusammenhang besagt I., daß Gott selber Frage u. Fraglichkeit zu eigen angenommen hat u. daß er darin sich selber zur Antwort gibt. Dabei wird, wie das Dogma von Chalkedon sagt, der Wesensunterschied von Göttlichem u. Menschlichem nicht vermischt. ”Dasjenige“ an Gott, was der Kreatur Mensch mitteilbar ist, wird als sein Wort in der I. u. als sein Geist (Heiliger Geist ) dem Menschen bleibend zu eigen mitgeteilt, ohne sich in es zu verwandeln. Vom Menschsein her gesehen könnte die Übereignung des Menschen Jesus an Gott, die den Menschen mit Gott eint, ohne daß er in Gott verwandelt würde, als Selbsttranszendenz gesehen werden.
(lat. = Fleischwerdung), von Joh 1, 14 aus gebildeter Begriff für das zentrale Mysterium des Christentums, wobei ”Fleisch“ (Sarx) die ganze endliche u. sterbliche Wirklichkeit des Menschen meint, in der griech. Form ”sarkosis“ von Irenäus von Lyon († um 202) verwendet. Der Begriff leidet an einer gewissen Unschärfe, ist aber nicht so irreführend wie ”Menschwerdung“ (u. Gottmensch). Die dogmatische Formulierung des Konzils von Chalkedon 451 verwendet das Denkmodell der Hypostatischen Union , in der die menschliche Natur Jesu Christi vom göttlichen Logos (Wort) für immer als ihm eigene angenommen wurde. I. bezeichnet so in bestimmter Hinsicht ein Werden Gottes zu dem, was er nicht ”immer schon“ war, aber nicht seine Verwandlung in etwas anderes. Die Formulierung ”menschliche Natur“ läßt nicht deutlich erkennen, was mit ihr gemeint ist: Menschsein mit allem, was dazu gehört, menschliches Bewußtsein, das fragend u. anbetend sich als völlig verschieden von Gott versteht, begrenzte Erkenntnis mit Lernen u. Wachsen, Einbindung in soziale Verhältnisse u. Umwelt, spontane Subjektivität mit Gefühlen u. Freiheit (die durch die Einheit mit Gott wächst u. nicht abnimmt), Leiden u. Sterbenmüssen. Dieses wahreMenschsein ist der heutigenMentalität nicht so fremd wie seine Einheit mit dem lebendigen, unbegreiflichen Gott. Zu den Fragwürdigkeiten gehört die Erklärung des Motivs der I. durch die Satisfaktionstheorie Anselms von Canterbury († 1109), als sei die I. die notwendig gewordene Antwort Gottes auf die Sünde der Menschheit. Sowohl in der alten griech. Theologie mit ihrer Auffassung von einer Vergöttlichung der Menschheit als auch in der mittelalterlichen Erhöhungs-Christologie stand ein anderes Motiv im Hintergrund. Heutiges Nachdenken über die I. kann von der Offenheit des Geschöpfes Mensch für Gott ausgehen (Transzendenz), die sich aktualisiert als dauerndes, fragendes Verwiesensein des Erkennens u. Wollens auf Gott, als Frage. Die Selbstmitteilung Gottes an den Menschen wäre eine mögliche freie u. radikal höchste Antwort Gottes auf diese Frage. In diesem Zusammenhang besagt I., daß Gott selber Frage u. Fraglichkeit zu eigen angenommen hat u. daß er darin sich selber zur Antwort gibt. Dabei wird, wie das Dogma von Chalkedon sagt, der Wesensunterschied von Göttlichem u. Menschlichem nicht vermischt. ”Dasjenige“ an Gott, was der Kreatur Mensch mitteilbar ist, wird als sein Wort in der I. u. als sein Geist (Heiliger Geist ) dem Menschen bleibend zu eigen mitgeteilt, ohne sich in es zu verwandeln. Vom Menschsein her gesehen könnte die Übereignung des Menschen Jesus an Gott, die den Menschen mit Gott eint, ohne daß er in Gott verwandelt würde, als Selbsttranszendenz gesehen werden.