Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Hypostatische Union
   (griech.-lat. wörtlich etwa: Vereinigung u. bleibende Einheit in einer Hypostase), der christologische Fachbegriff, mit dem die verbindliche Glaubenslehre, das Dogma des Konzils von Chalkedon 451, bezeichnet wird, daß in Jesus Christus durch die Vereinigung u. bleibende Einheit einer menschlichen Natur mit der göttlichen Natur eine menschliche Wirklichkeit zur kreatürlichen Selbstaussage des göttlichen Logos wurde, in dessen Hypostase die beiden Naturen geeint sind. Die im 4. Jh. vor allem von den Kappadokiern praktizierte Redeweise von einer Hypostase Jesus Christus, gebildet vom göttlichen Logos, rief wegen der Reduzierung der menschlichen Natur u. a. den begreiflichen Widerspruch des Nestorius († um 451; Nestorianismus) hervor, der von zwei vollständigen Hypostasen in Jesus Christus sprach u. den Monophysitismus vermeiden wollte. Nach der Verurteilung des Nestorius in Chalkedon u. dem Wirksamwerden des Monophysitismus kam im 5. Jh. die Redeweise von dem einen ”prosopon“ (griech.), der einen ”persona“ Jesus Christus auf, einflußreich vor allem in einem dogmatischen Brief des Papstes Leo I. († 461) an Patriarch Flavian von Konstantinopel. Zwei Theologen des 6. Jh., Leontios v. Byzanz († um 543) u. Leontios v. Jerusalem (Mitte 6. Jh.), vor allem letzterer, äußern sich so über die menschliche Natur Jesu Christi, daß ihr schließlich ein In-sich-Stehen als ”prosopon“ abgesprochen u. ihr In-sich-Stehen so erklärt wird, als sei es in die Hypostase des göttlichen Logos aufgenommen (Enhypostasie). Diese Entwicklungslinie ist abgeschlossen bei Maximos Confessor († 662), der entschieden das volle Menschsein Jesu verteidigte u. die, im modernen Sinn gesprochen, personale Existenz Jesu durch das gegenseitige Durchdrungensein der beiden Naturen, durch die Perichorese, erklärte. Die westlich-lat. Theologie hat sich diese christologische Sicht, daß die menschliche Natur Jesu Christi in der ”Person“ (Hypostase) des göttlichen Logos existiert, zu eigen gemacht. – Ein Rückblick zeigt: Ausgehend von den biblischen Zeugnissen, die Jesus als wahren Menschen u. als Gegenwart Gottes bei den Menschen (Joh 1, 1–14; 20, 28) verstanden, ergaben sich die christologischen Auseinandersetzungen dieser genannten Jahrhunderte. Auf der einen Seite wurde das Menschsein zu einer bloßen ”Verkleidung“ Gottes minimalisiert (z. B. wurde eine menschliche Seele Jesu geleugnet u. die göttliche ”Seele“ des Logos als Klammer zwischen diesem u. dem Fleisch angesehen, so daß das Heils-wirken Jesu als eine Tat Gottes selber galt: Monophysitismus), auf der andern Seite wurde bestritten, daß der göttliche Logos das ”Subjekt“ auch der menschlichen Wirklichkeit sei, so daß ein Abgrund zwischen Gott u. Kreatur in Jesus bliebe (Nestorianismus). Mit der Lehre von Chalkedon u. ihrerWeiterentwicklung gewann man eine Sicht, in der das Heilswirken Jesu in die menschliche Natur u. damit in die menschliche Freiheit verlegt wurde u. zugleich als Heilswirken des göttlichen Logos gelten darf. Auch wenn im Lauf der Entwicklung die eine Hypostase im modernen Sinn als Person verstanden wurde, mußte festgehalten werden, daß die menschliche Natur des Logos ein menschliches Selbstbewußtsein u. echte menschliche Freiheit besitzt, ein geistiges Aktzentrum hat, das Gott kreatürlich anbetend gegenübersteht. Nur so kann Jesus nicht als in Menschengestalt handelnder Gott angesehen werden; nur so konnte er in Wahrheit Mittler sein. ”Wie dies gedacht werden könne, das macht die aktuelle Problematik der H. U. aus. Ihre Lösung müßte davon ausgehen, daß nur eine göttliche Person eine von ihr real verschiedene Freiheit so als ihre eigene besitzen kann, daß diese nicht aufhört, wahrhaft frei zu sein auch gegenüber der sie besitzenden göttlichen Person, u. doch diese Freiheit diese Person selbst als ihr ontologisches Subjekt qualifiziert. Denn nur bei Gott ist es überhaupt denkbar, daß er selber die Unterschiedlichkeit zu sich selbst konstituieren kann. Das Verhältnis der Logos-Person zu ihrer menschlichen Natur ist gerade so zu denken, daß hier Eigenstand und radikale Nähe in gleicher Weise auf ihren einmaligen, qualitativ mit anderen Fällen unvergleichbaren Höhepunkt kommen, der der einmalige Höhepunkt eines Schöpfer-Geschöpf-Verhältnisses ist. Daraus folgt: in dem Maß u. in der Weise, wie die H. U. eine realontologische Bestimmung der menschlichen Natur, u. zwar ihre ontologisch höchste, ist u. diese menschliche Natur ›bei sich selbst‹ ist durch sich selbst (was mit ihrer Geistigkeit gegeben ist), muß auch die menschliche Natur von sich selbst her dieser H. U. bewußt sein; die H. U. kann nicht bloß ein Inhalt ihres ›von außen‹ gegebenen gegenständlichen Wissens sein, d. h. die menschliche Seele Jesu Christi ist unmittelbar ontisch u. bewußtseinsmäßig beim Logos (vgl. auch Wissen und Bewußtsein Jesu Christi ). Von da her könnte man sagen: ›Jesus ist der Mensch, der die einmalige absolute Selbsthingabe an Gott lebt‹ (als Wesensaussage über Jesus Christus), unter der Voraussetzung, daß eine absolute Selbsthingabe eine absolute Selbstmitteilung Gottes beinhaltet, die das durch sie Bewirkte (den mit Gott beschenkten Adressaten der Selbstmitteilung Gottes, der durch diese Mitteilung geschaffen wird) zur Wirklichkeit des Bewirkenden selbst macht, u. unter der Voraussetzung, daß eine solche existentielle Aussage in radikalsterWeise eine Seinsaussage ist“ (Rahner-Vorgrimler 1961, 177). Die Aufgabe, hier eine Lösung zu finden, die den christologischen Prozeß integriert u. gleichzeitig die Sprache K. Rahners ”übersetzt“, bleibt weiterhin aktuell.
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