Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Hoffnung
   (lat. ”spes“, griech. ”elpis“).   1. Biblisch. Wenn H. in einem allgemeinen Verständnis die auf die Zukunft hin gerichtete sehnsuchtsvolle Erwartung eines Gutes ist, dann hat das AT viele Möglichkeiten, Erwartung in Verbindung mit felsenfester Zuversicht u. Vertrauen in JHWH zum Ausdruck zu bringen. Sie bezieht konkrete Lebensereignisse ebenso ein wie die Vergebung der Sünden, eine positive Zukunft des Königtums in Israel, die Befreiung von feindlichen Mächten, von Krankheit u. Tod, die Schaffung eines neuen Himmels u. einer neuen Erde, das Heil für alle Menschen. Die H. wird mit den Erfahrungen von Schutz u. Führung durch JHWH in der Vergangenheit begründet. Inbegriff der H. Israels ist der ihm anvertraute, H. vermittelnde Gottesname JHWH. Auch im NT wird H. (hier substantivisch ”elpis“) zusammen mit anderen vertrauensvollen Grundhaltungen beschrieben. Ihr Inbegriff ist die Erwartung der universalen Herrschaft Gottes , die Jesus als nahegekommen angesagt hatte, u. das ”Eingelassenwerden“ in sie; so bittet das Vaterunser um ihr Kommen. Aber auch weitere Aussagen des NT charakterisieren die Christen als Erwartende. Das Heilshandeln Gottes in Jesus Christus, Kreuz, Auferwekkung, Rechtfertigung der Sünder, verbürgen für Paulus den Grund der H., die er zusammen mit Glauben u. Liebe nennt (1 Thess 1, 3; 5, 8; 1 Kor 1, 13), die für ihn das geduldige Erwarten dessen ist, was man jetzt noch nicht sieht, u. in die er die Erlösung auch der Schöpfung im ganzen einbezieht (Röm 8, 22–26). In Spätschriften des NT verlagert sich die H. stärker auf den Himmel, die verheißene Gottesstadt. Wirkungsgeschichtlich bedeutend war Hebr 11, 1: ”Es ist aber der Glaube eine Zuversicht auf das, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht“.
   2. Systematisch. In der griech. Antike gehörten H. u. Angst (als ihr Gegenteil) zu den Leidenschaften, die durch die Tugend zu beherrschen seien. Diese Sicht wurde in der christlichen Theologiegeschichte verändert. H. gehört bei Thomas von Aquin († 1274) mit Glaube u. Liebe zu den von der Gnade Gottes ”eingegossenen“ Tugenden u. ist wesentlich auf das ewige Leben in der Anschauung Gottes bezogen. Diese ”eschatologische“ Ausrichtung (u. Engführung) der H. ist auch bei M. Luther († 1546) erhalten, der die H. auf die rettende Gerechtigkeit Gottes gerichtet sah. Für I. Kant († 1804) ist die Religion für die Beantwortung der Frage: ”Was darf ich hoffen?“ zuständig; die H. richtet sich auf die Unsterblichkeit der Seele u. deren Glückseligkeit u. ist damit Vorbedingung für den von Kant geforderten immerwährenden sittlichen Fortschritt. Ein bedenkenswertes Echo des Weltgefühls der Hoffnungslosigkeit (was nicht heißt: Mutlosigkeit) findet sich in der Philosophie von F. Nietzsche († 1900) bis A. Camus († 1960). Stärksten Einfluß auf eine erneuerte ”Theologie der H.“ im 20. Jh. übte E. Bloch († 1977) aus. Er verband Beobachtungen der materiellen Evolution mit der Utopie eines erhofften, noch nie verwirklichten Weltzustands, der in ”Transzendenz nach vorwärts“ anzuzielen wäre (das ”Prinzip H.“ der Natur- u. Menschheitsgeschichte). Die Theologie der 60er u. 70er Jahre des 20. Jh. war bemüht, die einseitige Jenseitsorientierung der traditionellen Theologie der H. auszugleichen. In der Annahme der menschlichen Geschichte durch Gott in der Inkarnation wurde ein wesentlicher Impuls dafür gesehen, an den praktischen Verwirklichungen innerweltlicher H. mitzuarbeiten. Die H. wurde in der Politischen Theologie verstanden als Wachhalten der Erinnerung an die noch unabgegoltenen Verheißungen Gottes, auf deren Erfüllung die Menschheit zugeht, wenn sie an ihrer innerweltlichen Zukunft arbeitet (ohne deren Vollendung aus eigener Kraft zu erreichen). Im Unterschied dazu ist die Gegenwart vom Zusammenbruch der Utopien, von einer Stimmung der Resignation angesichts einer sehr begrenzten Freiheit, einer zerstörten Umwelt, vielfacher Beschädigungen der Seelen geprägt. Da helfende u. heilende Gegenkräfte nicht in Sicht sind, durch moralische Appelle u. pragmatische Vorschläge auch nicht zustande kommen, scheint sich die H. auf die Erreichbarkeit kleiner, eher privater Teilziele zurückzuziehen.
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