Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Heiligmachende Gnade
   heißt in der kath. Theologie ein besonderer Aspekt der Gnade Gottes, nämlich jenes Handeln Gottes am Menschen in der Rechtfertigung, das nicht nur in einer eschatologischen Verheißung oder in einer äußeren Anrechnung besteht, sondern ein gegenwärtiges, heilendes, vergebendes, zuständliches u. innerliches ”Heilsgut“ ist. Diese Auffassung hat ihre biblischen Anhaltspunkte: Das (an sich einmalige) Ereignis der Metanoia, das Gläubigwerden u. die Taufe werden als Neuschöpfung, als neue Geburt ”von oben“ (Wiedergeburt), als ein Neugewinn des Lebens aus dem Tod u. vor allem als Gabe des göttlichen Pneuma (Heiliger Geist ), die real verändernde Wirklichkeit Gottes selber (2 Petr 1, 4), verstanden. Dieses bleibende, innere, wirksame Mitgeteilt-Sein des Gottesgeistes zusammen mit seinen Auswirkungen im Menschen heißt H. G. Die amtliche Lehre darüber findet sich in den Texten des Konzils von Trient: In der Rechtfertigung werden die Sünden wahrhaft getilgt, so daß der Mensch aus einem Sünder ein Gerechter wird, u. zwar nur u. ausschließlich durch die ungeschuldete, unverdienbare Tat der Gnade Gottes in Jesus Christus. Diese Vergebung wandelt den Menschen innerlich um, sie heiligt ihn, die Gnade u. Gaben werden ihm wirklich zu eigen gegeben (was nicht heißt, daß sie eigenmächtig verfügbar werden), so daß diese Gnade als ”eingegossene“ oder ”innerlich anhaftende “ bezeichnet wird u. diese von Gott geschenkte Gerechtigkeit die einzige formale Ursache der Rechtfertigung ist. Mit der H. G. sind die ”theologischen “ Tugenden identisch u. unlösbar verbunden. Weil die H. G. dem Menschen ”eingegossen“ u. ”effizient gewirkt“ ist, wird sie in Trient als ”geschaffene“ Qualität gesehen u. so der ungeschaffenen Gnade gegenübergestellt. Aber es wird auch von der Salbung u. Siegelung durch den Heiligen Geist selber gesprochen. Da zugleich an den Lehren von der Freiheit Gottes beim Geschenk der Gnade, von der notwendigen Disposition des Menschen u. vom Wachstum der Gnade festgehalten wird, kann diese Gnade als ”ungleich“ in den einzelnen Gerechten bezeichnet werden. Als formale Wirkungen der H. G. werden Rechtfertigung, also Vergebung der Sünden u. innere Gerechtigkeit, Gotteskindschaft u. Gottesfreundschaft, Einwohnung Gottes, Anwartschaft auf die Seligkeit, Angliederung an Jesus Christus u. Teilhabe an der göttlichen ”Natur“ genannt. Durch die ”schwere “ persönliche Sünde ist diese H. G. verlierbar. Dieser personal verschuldete Verlust darf nicht mit dem Fehlen der H. G. aufgrund der Erbsünde verwechselt werden (übernatürliches Existential, Heilswille Gottes ). Heilsakt ist ein Fachbegriff der kath. Dogmatik, der ein von Gott ermöglichtes Tun des Menschen positiv auf die Rechtfertigung hinordnet (”actus mere salutaris“) oder, bei einem schon gerechtfertigten Menschen, positiv zum Weg zur Vollendung in der Anschauung Gottes beiträgt (in der Kirchensprache: ein von Gott ermöglichtes Verdienst, ”actus salutaris et meritorius“). Nach dogmatisch verbindlicher Lehre ist zu jedem einzelnen H., auch zum allerersten Beginn des Glaubens, die ungeschuldete Gnade Gottes absolut notwendig.
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