Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Heil
   (gotisch = ganz, vollständig), ein zentraler religiöser Begriff für das von allen Religionen Erwartete oder Verheißene: eine subjektive, existentielle Heilung u. Erfüllung des Menschen, das Ganzsein des Lebens. In der altgriech. u. röm. Religiosität wurde nach dem H. unter dem Begriff des Glücks (griech. ”eudaimonia“, lat. ”beatitudo“; Seligkeit) gefragt. Religionsphilosophisch setzt die Beschäftigung mit einem möglichen H. die Analyse des je jetzigen Daseinsverständnisses u. die Untersuchung der Frage, was Menschen eigentlich erwarten, voraus. Die Ätiologie im AT , die Zeugnisse, wie stark Lebensbedrohungen, Schuld u. Tod erfahren werden, zeigen das Bewußtsein von der Heilungsbedürftigkeit jedes menschlichen Lebens. Der Glaube an die rettende u. heilende Macht Gottes u. die prophetischen Ankündigungen kommender Erlösung zeigen, woher das H. erwartet wird. Die Verkündigung Jesu läßt ihre Verwurzelung in dieser Sicht erkennen; sie preist im Vertrauen auf das Eingreifen Gottes die Bedürftigen u. Armen selig. Beide Testamente verstehen H. in einem umfassenden Sinn; zu ihm gehören innerliche Freude u. Tröstung ebenso wie die Aufhebung von Krankheit u. Tod. Jesus, dessen Name identisch mit seinem Evangelium ist (Jehoschua = JHWH ist Heil), faßt die Heilsverheißungen in der Ankündigung der nahegekommenen Herrschaft Gottes zusammen. Bei Paulus besteht das H. in der Gerechtmachung der Sünder (Rechtfertigung), im neuen ”Sein in Christus“, in der Begabung mit dem göttlichen Pneuma als Unterpfand der Auferweckung der Toten. Paulus, die Deuteropaulinen u. die Offb beziehen die Schöpfung auf unterschiedliche Weise in das kommende H. ein. Im Joh-Ev. ist das H. identisch mit dem Ewigen Leben . Der jüdisch-christliche Glaube an die Möglichkeit u. Verheißung eines umfassenden Heils, das sich ”schon jetzt“ in bestimmter Hinsicht erfahren läßt, bringt nicht jene Gewißheit der Heilung, des Trostes, der Versöhnung, der integralen Befreiung u. des Bleibenden mit sich, die dasWort H. eigentlich meint (ähnlich ist der Sachverhalt bei demWort Erlösung). Der Begriff H. ist daher nicht einfach mit dem der Gnade identisch. Im Unterschied zu allen innerweltlichen Anstrengungen, Glück u. Befreiung zu erlangen (die legitim sind), u. zu allen Utopien sollte ihm jenes Merkmal der vollendeten Endgültigkeit belassen bleiben, das die Theologie mit Anschauung Gottes u. Auferstehung der Toten ausspricht. Dieses Menschen u. Schöpfung in jeder Hinsicht umfassende H. ist in der Zeitlichkeit des jetzigen Lebens in keiner objektiven Erlösung, in keiner Gnade u. in keiner Kirche geschenkt. Die beständige Erfahrung der Menschen bezeugt das. Besonders heftig sind die Heilserwartungen der gläubigen Juden u. der mit ihnen solidarischen Christen durch ”Auschwitz “ verstört. So steht die weitergehende Glaubensgeschichte im Zeichen der Hoffnung ”gegen alle Hoffnung“.   Heiland, althochdeutschesWort, auch heilant, altsächsisch heliand,Wiedergabe des kirchenlateinischen salvator = Retter, Erlöser; des hebr. jehoschua = josua = griech. Jesus = ”JHWH ist Heil“; des griech. soter = Retter. Der deutsche Begriff, belastet von der sentimentalen Jesusdeutung des 19. Jh., erreicht die Bedeutungsfülle des ursprünglichen Namens nicht.
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