Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Gleichheit
meint hier nicht die Frage nach der Identität, sondern das Problem der Stellung des einzelnen Menschen in Organisationsformen der Gemeinschaft: Das Menschsein des Menschen, gemeint alsWesensaussage, ist allenMenschen gemeinsam, daher sind sie in ihremWesen oder in ihrer Natur gleich; alle besitzen eine ursprüngliche G. durch ihre Natur, religiös gesprochen: sie sind vor Gott gleich. In ihrer Individualität sind sie jedoch ungleich; diese Ungleichheit ist ein konstitutives Element ihrer Individualität. Teile dieser Ungleichheit sind angeboren; sie gehen auf Vererbungsgefüge u. Evolution u. letztlich auf den Schöpfer zurück. Andere Teile sind ”erworben“: Ungleichheiten in Ausbildung, Bildung u. Besitz u. dadurch bedingter ungleicher Stellung in Gesellschaften. Auch angeborene Ungleichheiten können durch ungleiche Stellung in Gesellschaften noch einmal verstärkt werden, z. B. solche des Geschlechts, der Herkunftskultur (Hautfarbe), des Charakters, der Begabung usw. Das Bestehen solcher Ungleichheiten wurde u. wird als Verweigerung von Gerechtigkeit verstanden. In der christlichen Tradition wurde zwischen der Gerechtigkeit vor Gott (die prinzipiell allen möglich ist) u. irdischen, vor allem gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten unterschieden. Letztere galten als Folgen der Erbsünde, die konkret u. partiell (z. B. im Krankenhaus- u. Caritaswesen) bekämpft, prinzipiell aber nicht beseitigt werden konnten. Bestimmte Ungleichheiten aus Ungerechtigkeit, die auf die Gesellschaft zurückzuführen sind, wurden als unveränderliche Bestandteile göttlicher Ordnung ausgegeben (Benachteiligung der Frauen, Situation der Sklaven, Armen usw.). Die Beseitigung dieser Ungleichheiten aus Ungerechtigkeit ist auf die Aufklärung u. die Französische Revolution (”égalité“) zurückzuführen. Sie bewirkten die Aufnahme bestimmter Elemente der Gleichheit in moderne Verfassungen u. Gesetze: G. aller vor dem Gesetz, Stimmengleichheit, Chancengleichheit usw. Die legitimen Ungleichheiten der Individuen werden durch gesetzlich garantierte Religionsfreiheit u. durch Toleranz geschützt. Bei allem verbalen Bekenntnis zu Menschenrechten u. Menschenwürde sind die Probleme von nicht gottgewollten Ungleichheiten in der Kirche noch nicht gelöst.
meint hier nicht die Frage nach der Identität, sondern das Problem der Stellung des einzelnen Menschen in Organisationsformen der Gemeinschaft: Das Menschsein des Menschen, gemeint alsWesensaussage, ist allenMenschen gemeinsam, daher sind sie in ihremWesen oder in ihrer Natur gleich; alle besitzen eine ursprüngliche G. durch ihre Natur, religiös gesprochen: sie sind vor Gott gleich. In ihrer Individualität sind sie jedoch ungleich; diese Ungleichheit ist ein konstitutives Element ihrer Individualität. Teile dieser Ungleichheit sind angeboren; sie gehen auf Vererbungsgefüge u. Evolution u. letztlich auf den Schöpfer zurück. Andere Teile sind ”erworben“: Ungleichheiten in Ausbildung, Bildung u. Besitz u. dadurch bedingter ungleicher Stellung in Gesellschaften. Auch angeborene Ungleichheiten können durch ungleiche Stellung in Gesellschaften noch einmal verstärkt werden, z. B. solche des Geschlechts, der Herkunftskultur (Hautfarbe), des Charakters, der Begabung usw. Das Bestehen solcher Ungleichheiten wurde u. wird als Verweigerung von Gerechtigkeit verstanden. In der christlichen Tradition wurde zwischen der Gerechtigkeit vor Gott (die prinzipiell allen möglich ist) u. irdischen, vor allem gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten unterschieden. Letztere galten als Folgen der Erbsünde, die konkret u. partiell (z. B. im Krankenhaus- u. Caritaswesen) bekämpft, prinzipiell aber nicht beseitigt werden konnten. Bestimmte Ungleichheiten aus Ungerechtigkeit, die auf die Gesellschaft zurückzuführen sind, wurden als unveränderliche Bestandteile göttlicher Ordnung ausgegeben (Benachteiligung der Frauen, Situation der Sklaven, Armen usw.). Die Beseitigung dieser Ungleichheiten aus Ungerechtigkeit ist auf die Aufklärung u. die Französische Revolution (”égalité“) zurückzuführen. Sie bewirkten die Aufnahme bestimmter Elemente der Gleichheit in moderne Verfassungen u. Gesetze: G. aller vor dem Gesetz, Stimmengleichheit, Chancengleichheit usw. Die legitimen Ungleichheiten der Individuen werden durch gesetzlich garantierte Religionsfreiheit u. durch Toleranz geschützt. Bei allem verbalen Bekenntnis zu Menschenrechten u. Menschenwürde sind die Probleme von nicht gottgewollten Ungleichheiten in der Kirche noch nicht gelöst.