Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Glaubensbekenntnis
als theol. Fachbegriff bezeichnet nicht das Bekenntnis des Glaubens, sondern eine formelhafte Zusammenfassung des Glaubensinhalts einer Religion in Sätzen mit dem Ziel, wenigstens das Wesentliche wiederzugeben (griech. u. lat. ”symbolum“, lat. auch ”professio fidei“). Mehrere Religionen kennen solche Bekenntnisformeln, die z.T. aus dem Gottesdienst erwachsen sind, z.T. für gottesdienstlichen Gebrauch entworfen wurden. Im AT finden sich für die älteste Zeit Israels nur formelhafte Gottesprädikationen mit dem Lobpreis seinerMachttaten; spätere Formelbildungen dienen offensichtlich der Vergewisserung der Glaubensgemeinschaft u. ihrer Einheit nach außen. So kam es zu der bedeutenden Bekenntnisbildung des Judentums im ”Schema“ (Dtn 6, 4–9; 11, 13–21; Num 15, 37–41), das morgens u. abends zu sprechen, am Körper zu tragen u. an der Tür anzubringen ist. Ein weiteres, ebenfalls täglich zu sprechendes G. ist das ”Achtzehnergebet“. Ähnlich, wenn auch in kürzerem Zeitraum ging die Glaubensformulierung der Christen nach dem NT vor sich. Den Anfang bildeten Gottes- bzw. Christusprädikationen, die auch liturgisch verwendet wurden (z. B. Kyrios). Glaubenssätze, die noch vor Paulus formuliert waren, bezogen sich auf die Heilstaten Gottes in Jesus Christus (Röm 4, 25; 1 Kor 15, 3 ff. u. ö.). Abgrenzende Interessen verfolgen 1 Joh 4, 15 u. 5, 5. Die früheste Taufliturgie verlangte bereits ein G., dessen ursprüngliche Gestalt die einer dreigliedrigen Befragung war (eine schon weiter entwickelte Form Mt 28, 19). In den großen christologischen u. trinitarischen Auseinandersetzungen des kirchlichen Altertums entstanden jeweils situationsbedingt innerhalb u. außerhalb von Synoden Glaubensbekenntnisse im Dienst der Einheit des Glaubens (z.T. auch der staatlichen Einheit) u. der Abgrenzung gegenüber vermuteter Häresie. Schließlich wurde die Rezitation des Glaubensbekenntnisses von neu einzuführenden bzw. zu weihenden Amtsträgern zum Zeichen ihrer Einbindung in die hierarchische Gemeinschaft u. ihrer Rechtgläubigkeit abverlangt. Heute sind die bevorzugten Orte des vorformulierten Glaubensbekenntnisses für die Gemeinde die Taufe, die Eucharistiefeier an Sonntagen u. Hochfesten sowie die österliche Tauferneuerung. – Von den im Lauf der Geschichte entstandenen Glaubensbekenntnissen seien hier nur die beiden wichtigsten genannt, die auch große ökumenische Bedeutung haben. Der Urtyp des sog. Apostolischen Glaubensbekenntnisses ist im 2. Jh. bezeugt; er enthält den Glauben an den dreieinigen Gott, die heilige Kirche u. die Vergebung der Sünden. In ausgebauter Form ist der Text als römisches Taufbekenntnis des 4. Jh. bezeugt. In der heutigen Textgestalt wird das ”Apostolicum“ im 6. Jh. in Südwestfrankreich rezitiert, im 9. Jh. in Rom offiziell für die Taufe übernommen. Auch das Nicaeno-konstantinopolitanische G. hat seine Entstehungsgeschichte. Ein G. der Ortskirche von Kaisareia in Kappadokien wurde durch das Konzil von Nikaia 325 durch christologische Formulierungen gegen den Arianismus ergänzt. Nach dem Zeugnis des Konzils von Chalkedon wurde dieses nicaenische G. durch das 1. Konzil von Konstantinopel 381 durch Formulierungen erweitert, die sich zur Göttlichkeit des Heiligen Geistes bekennen. Das so entstandene ”Nicaeno-Constantinopolitanum“ machte sich das Konzil von Chalkedon 451 feierlich zu eigen, verbunden mit dem bemerkenswerten Beschluß, daß ”niemand ein anderes Glaubensbekenntnis vorbringen, niederschreiben oder abfassen darf“. Zusätze zu diesem G. sind daher nach der ausdrücklich vorgetragenen Überzeugung der orthodoxen Ostkirchen schwerwiegende Verstöße gegen den gesamtkirchlichen Glauben; das betrifft vor allem das Filioque. Spätere Formulierungen von Glaubensbekenntnissen in der röm.-kath. Kirche begegnen zwei entgegengesetzten Auffassungen. Die röm. Kirchenleitung zeigt die Tendenz, möglichst viele einzelne Glaubenswahrheiten in den Bekenntnistext aufzunehmen (so z. B. in dem von Paul VI. 1968 vorgelegten ”Credo des Gottesvolkes “, das von einem einzelnen Theologen verfaßt u. von der kirchlichen Gemeinschaft nicht rezipiert worden ist). In vielen Ortskirchen wird darauf hingewiesen, daß das offizielle G. wesentliche Glaubensinhalte gar nicht wiedergibt (z. B. das Zentralthema der Verkündigung Jesu, die Herrschaft Gottes u. seine Praxis), daß die antiarianischen Formulierungen ein detailliertes dogmengeschichtlichesWissen voraussetzen u. daß der heutige ”Kontext“ des Glaubens (u. a. Fragen nach Gott angesichts der Theodizee, Fragen nach der universalen Heilsbedeutung Jesu Christi, die Tragfähigkeit des Glaubens in Alltags- u. Grenzsituationen usw.) im ”Credo“ gar nicht vorkommt.