Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Geschichtstheologie
heißt seit dem 20. Jh. das theologische Verständnis der Geschichte. Methode u. Inhalte einer G. sind weithin ungeklärt. Zu einer G. gehören mit Sicherheit Anfang u. Ende der Geschichte als von Gott geoffenbarte, historisch-wissenschaftlich nicht faßbare konkrete Ereignisse. Wie Anfang u. Ende, so gründet auch der Verlauf der Geschichte als durch menschliche Autonomie u. Verantwortung gesteuerte u. als durch die Evolution mitbedingte in der freien Verfügung Gottes. Diese kann im theol. Verständnis als der Wille Gottes zur Selbstmitteilung an die nichtgöttliche Wirklichkeit u. als deren prozeßhafte Realisierung mit dem Höhepunkt in der Inkarnation verstanden werden. Die Annahme eines einheitlichen, beständigen, in der Geschichte sich erst fortschreitend enthüllenden Planes durch die Vertreter einer Heilsgeschichte begegnet jedoch erheblichen Bedenken. Wer ist das Subjekt der Geschichte? Die innerweltlichen Mächte der Geschichte müßten von einer G. theol. gedeutet werden. Die Geschichte des Neins der Menschen zum Angebot u. zur Verwirklichung der Selbstmitteilung Gottes kann nicht gleichberechtigtes Thema einer G. sein, wenn der universale Heilswille Gottes eines ihrer Grunddaten ist. Mit der Akzeptanz oder Verneinung eines ausdrücklichen, durch innergeschichtliche Eingriffe gesteuerten Heilsplanes Gottes steht u. fällt der Versuch, eine Theologie der Perioden oder Epochen der Geschichte zu entwerfen. – Ansätze einer G. kann man in der Apokalyptik sehen. In der alten Kirche versuchten Irenäus von Lyon († um 202), Eusebius von Caesarea († 339), Orosius († nach 418) u. Augustinus († 430) heilsgeschichtliche Periodisierungen aufzustellen. Im Mittelalter findet sich heilsgeschichtliches Denken u. a. bei Joachim von Fiore († 1202) u. Bonaventura († 1274). Die eingreifende Steuerung der Geschichte durch Gott in der Verwirklichung eines Heilsplanes wird in der Folge der Aufklärung mit der Betonung der menschlichen Gestaltungsfreiheit zunehmend verneint. Im 19. Jh. waren in der ev. u. in der kath. Theologie geschichtstheol. Motive wirksam, ohne jedoch langfristig zur Geltung zu kommen (Tübinger Schulen ). Singulär blieben auch die Bemühungen P. Teilhard de Chardins († 1955), Geschichte zugleich theol. als von Gott bzw. Jesus Christus gesteuert u. naturwissenschaftlich evolutiv zu begreifen. H. U. von Balthasar († 1988) konzipierte von einem Standpunkt gnostischer Inneneinsicht aus die Geschichte theol. als ”Theodramatik“ bzw. als ”dramatische Soteriologie “. Bei neueren ev. Zugängen handelt es sich um Versuche, die Geschichte von einer in Jesus gegebenen Antizipation des Endes der Geschichte her zu verstehen.
heißt seit dem 20. Jh. das theologische Verständnis der Geschichte. Methode u. Inhalte einer G. sind weithin ungeklärt. Zu einer G. gehören mit Sicherheit Anfang u. Ende der Geschichte als von Gott geoffenbarte, historisch-wissenschaftlich nicht faßbare konkrete Ereignisse. Wie Anfang u. Ende, so gründet auch der Verlauf der Geschichte als durch menschliche Autonomie u. Verantwortung gesteuerte u. als durch die Evolution mitbedingte in der freien Verfügung Gottes. Diese kann im theol. Verständnis als der Wille Gottes zur Selbstmitteilung an die nichtgöttliche Wirklichkeit u. als deren prozeßhafte Realisierung mit dem Höhepunkt in der Inkarnation verstanden werden. Die Annahme eines einheitlichen, beständigen, in der Geschichte sich erst fortschreitend enthüllenden Planes durch die Vertreter einer Heilsgeschichte begegnet jedoch erheblichen Bedenken. Wer ist das Subjekt der Geschichte? Die innerweltlichen Mächte der Geschichte müßten von einer G. theol. gedeutet werden. Die Geschichte des Neins der Menschen zum Angebot u. zur Verwirklichung der Selbstmitteilung Gottes kann nicht gleichberechtigtes Thema einer G. sein, wenn der universale Heilswille Gottes eines ihrer Grunddaten ist. Mit der Akzeptanz oder Verneinung eines ausdrücklichen, durch innergeschichtliche Eingriffe gesteuerten Heilsplanes Gottes steht u. fällt der Versuch, eine Theologie der Perioden oder Epochen der Geschichte zu entwerfen. – Ansätze einer G. kann man in der Apokalyptik sehen. In der alten Kirche versuchten Irenäus von Lyon († um 202), Eusebius von Caesarea († 339), Orosius († nach 418) u. Augustinus († 430) heilsgeschichtliche Periodisierungen aufzustellen. Im Mittelalter findet sich heilsgeschichtliches Denken u. a. bei Joachim von Fiore († 1202) u. Bonaventura († 1274). Die eingreifende Steuerung der Geschichte durch Gott in der Verwirklichung eines Heilsplanes wird in der Folge der Aufklärung mit der Betonung der menschlichen Gestaltungsfreiheit zunehmend verneint. Im 19. Jh. waren in der ev. u. in der kath. Theologie geschichtstheol. Motive wirksam, ohne jedoch langfristig zur Geltung zu kommen (Tübinger Schulen ). Singulär blieben auch die Bemühungen P. Teilhard de Chardins († 1955), Geschichte zugleich theol. als von Gott bzw. Jesus Christus gesteuert u. naturwissenschaftlich evolutiv zu begreifen. H. U. von Balthasar († 1988) konzipierte von einem Standpunkt gnostischer Inneneinsicht aus die Geschichte theol. als ”Theodramatik“ bzw. als ”dramatische Soteriologie “. Bei neueren ev. Zugängen handelt es sich um Versuche, die Geschichte von einer in Jesus gegebenen Antizipation des Endes der Geschichte her zu verstehen.