Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Genugtuung
(lat. ”satisfactio“), ein der röm. Rechtssprache entlehnter Begriff, der zunächst die Wiederherstellung einer verletzten (Rechts-)Ordnung bezeichnet, sodann die Wiedergutmachung bei Schädigung der Ehre oder der Habe eines anderen. Da Strafe weder einWert in sich ist noch der Wiederherstellung u.Wiedergutmachung dient, vielmehr niederen Racheinstinkten entspringt, kann eine G. nur uneigentlich Strafcharakter tragen, insofern die Wiedergutmachungsleistungen in verschiedener Hinsicht ”schmerzen“. In der theol. Sprache wurden die Bußleistungen, die im öffentlichen ”kanonischen“ Bußverfahren gefordert waren, zunächst nicht als G. verstanden. Sie galten dem Nachweis der ernsthaften (radikalen) u. dauerhaften Umkehr. Diese Auffassung hielt sich auch nach der Einführung des ”Tarifbuße“ mit ihren detaillierten Bußleistungen durch (Bußsakrament). Sporadisches Eingehen auf die röm. ”satisfactio“-Vorstellung (Cyprian †258) hatte auch in der scholastischen Theologie zunächst keine nennenswerten Folgen. Erst im Zusammenhang mit der Soteriologie wurde die G. Gegenstand ernsthafter Kontroversen. Die Bußwerke im Bußsakrament u. in der christlichen Askese waren insofern darin einbezogen, als sie in der spätmittelalterlichen Kirchenlehre u. -praxis als gnadenverdienstliche Leistungen dargestellt u. deshalb von den Reformatoren angegriffen wurden. Der Streit über die Rechtfertigung offenbarte wenigstens im Hinblick auf die G. einen fundamentalen Konsens: In seinem Sterben hat Jesus Christus für alle Sünder ”überfließende“ G. (”satisfactio superabundans“) geleistet, indem er für alle starb. Auch in der Gnade Jesu Christi kann ein Mensch nicht vollwertige G. leisten. Durch eine freiwillige oder kirchlich auferlegte Buße kann er allenfalls die Sündenfolgen ”aufarbeiten“ (in der kirchlichen Sprache: zeitliche Sündenstrafen tilgen). Der sprachliche, heute kaum mehr vermittelbare Hintergrund ist das römisch-germanische Ehr- u. Ordnungsdenken. Das Verständnis der G. als Wiedergutmachung bei beschädigten Mitmenschen nicht nur im Sinn einer Werterstattung, sondern auch als Zuwendung der Nächstenliebe ist eine Errungenschaft erst der neueren Zeit. – Satisfaktionstheorie, Stellvertretung .
(lat. ”satisfactio“), ein der röm. Rechtssprache entlehnter Begriff, der zunächst die Wiederherstellung einer verletzten (Rechts-)Ordnung bezeichnet, sodann die Wiedergutmachung bei Schädigung der Ehre oder der Habe eines anderen. Da Strafe weder einWert in sich ist noch der Wiederherstellung u.Wiedergutmachung dient, vielmehr niederen Racheinstinkten entspringt, kann eine G. nur uneigentlich Strafcharakter tragen, insofern die Wiedergutmachungsleistungen in verschiedener Hinsicht ”schmerzen“. In der theol. Sprache wurden die Bußleistungen, die im öffentlichen ”kanonischen“ Bußverfahren gefordert waren, zunächst nicht als G. verstanden. Sie galten dem Nachweis der ernsthaften (radikalen) u. dauerhaften Umkehr. Diese Auffassung hielt sich auch nach der Einführung des ”Tarifbuße“ mit ihren detaillierten Bußleistungen durch (Bußsakrament). Sporadisches Eingehen auf die röm. ”satisfactio“-Vorstellung (Cyprian †258) hatte auch in der scholastischen Theologie zunächst keine nennenswerten Folgen. Erst im Zusammenhang mit der Soteriologie wurde die G. Gegenstand ernsthafter Kontroversen. Die Bußwerke im Bußsakrament u. in der christlichen Askese waren insofern darin einbezogen, als sie in der spätmittelalterlichen Kirchenlehre u. -praxis als gnadenverdienstliche Leistungen dargestellt u. deshalb von den Reformatoren angegriffen wurden. Der Streit über die Rechtfertigung offenbarte wenigstens im Hinblick auf die G. einen fundamentalen Konsens: In seinem Sterben hat Jesus Christus für alle Sünder ”überfließende“ G. (”satisfactio superabundans“) geleistet, indem er für alle starb. Auch in der Gnade Jesu Christi kann ein Mensch nicht vollwertige G. leisten. Durch eine freiwillige oder kirchlich auferlegte Buße kann er allenfalls die Sündenfolgen ”aufarbeiten“ (in der kirchlichen Sprache: zeitliche Sündenstrafen tilgen). Der sprachliche, heute kaum mehr vermittelbare Hintergrund ist das römisch-germanische Ehr- u. Ordnungsdenken. Das Verständnis der G. als Wiedergutmachung bei beschädigten Mitmenschen nicht nur im Sinn einer Werterstattung, sondern auch als Zuwendung der Nächstenliebe ist eine Errungenschaft erst der neueren Zeit. – Satisfaktionstheorie, Stellvertretung .