Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Feind
   , Feindesliebe   Realistisch geht die Bibel von der Existenz von Feinden aus, deren Feindschaft sich gegen das erwählte Eigentumsvolk Gottes wie gegen die Gerechten, Frommen u. Gläubigen richtet. Im Glauben werden ”diesseitige“ Hilfe von Gottes Gerechtigkeit, auf jeden Fall aber Strafe in seinem Gericht erwartet. Die biblischen Texte machen keinen Versuch, die Gründe der Glaubensfeinde zu verstehen; sie unterstellen, daß diese die Handlanger des Bösen sind. Harte Reaktionen (Fluchpsalmen) sind von der sozio-kulturellen Situation her u. als extrem formulierte Zeugnisse des Gottvertrauens zu verstehen. Den Glaubenden wird im Ersten Testament u. nicht erst vom Christentum an die Feindesliebe zur Überwindung der Feindschaft empfohlen (Ex 2, 4 f.; Spr 24, 17; 25, 21 f.). Feindesliebe stellt den Inbegriff der Bergpredigt dar (Mt 5, 43 f.); Jesus lebte sie konsequent bis in den Tod am Kreuz hinein. Wenn Feindesliebe wie Liebe überhaupt Gegenstand eines Gebotes ist, dann kann damit nicht gemeint sein, Gefühle u. Sympathien seien willentlich zu erzwingen. Die willentliche Energie kann sich aber dazu durchringen, das Existenzrecht auch der Feinde zu bejahen, mit ihnen nach der Goldenen Regel umzugehen, die Gründe ihrer Aggressivitäten zu verstehen u. die Mechanismen von Schlag u. Gegenschlag (Rache) außer Kraft zu setzen, um so die Herrschaft Gottes zu bezeugen. In Fällen schweren strukturellen Unrechts u. der Notwehr gestattet die christliche Tradition Gewaltanwendung, bei der das Gebot der Feindesliebe jedoch nicht aufgehoben ist.
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