Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Fegfeuer
   volkstümlicher u. irreführender deutscher Begriff für die Überzeugung, daß Menschen oder genauer vom Leib getrennte Seelen nach dem Tod eine Läuterung von Schuld u. ihren Folgen erfahren. Das Wort ist geprägt von der Rettung ”wie durch Feuer“ 1 Kor , 15 aus (keine Belegstelle für die Existenz eines F.). Viele Religionen (Ägypten, Buddhismus, Platon, Vergil usw.) kennen die Vorstellung einer z.T. schmerzhaften Reinigung nach dem Tod. Der Glaube an eine solche Reinigung ist in biblischen Texten allenfalls 2 Makk 12, 42–45 greifbar (eine sühnende Läuterung der im Krieg Gefallenen ist für deren Auferweckung notwendig; es ist gut u. nützlich, für sie zu beten). Die Lehre über sie ist keine Erfindung des 12. Jh.; sie findet sich bei den Kirchenvätern mindestens seit Origenes († 253). In der östlichen Kirche wurde sie eher als heilende Reinigung verstanden. Im kirchlichen Westen war die Auffassung leitend, ein ”schwerer Sünder“ müsse, auch wenn er die Versöhnung mit Gott u. der Kirche erlangt habe (Bußsakrament), durch Bußleistungen die Ernsthaftigkeit u. Beständigkeit seiner Umkehr dokumentieren. Habe er diese Leistungen im ”Diesseits“ nicht erbracht oder vollendet, so müsse er sie im ”Jenseits“ nachholen. Bei der Ausmalung dieses Geschehens wurde auf außerbiblische Vorstellungen zurückgegriffen; der lat. Begriff ”purgatorium“ kann durchaus orthaft verstanden werden. Das theol. Problem wurde mit der Meinung der Trennung von Leib u. Seele im Tod verknüpft (Zwischenzustand) . Zeugnisse für eine kirchenamtliche Lehre (Konzilien von Lyon 1274 u. Florenz 1439) sprechen von ”reinigenden Strafen“. Eine päpstliche Lehrentscheidung von 1336 besagt, daß die Verstorbenen, die der Reinigung bedürfen, diese auch schon vor der ”Wiedervereinigung mit ihrem Leib“ erfahren, ehe sie in die Anschauung Gottes gelangen. Die Aussage zielt weder auf die Existenz des F. noch auf eine Trennung von Leib u. Seele, sie bedeutet vielmehr, daß es nach dem Tod keinen unentschiedenenWartezustand für Verstorbene geben werde. Die orthodoxen Ostkirchen sprachen (dogmatisch nicht verpflichtend) von Leiden u. Reifung nach dem Tod, lehnten u. lehnen aber orthafte u. physikalische Vorstellungen ab. Die reformatorische Theologie hielt das F. für eine teuflische Erfindung ohne biblische Begründung; ebenso wies sie Gebete u. a. guteWerke (Ablaß) für Verstorbene strikt zurück, weil damit die Rechtfertigung aus dem Glauben allein geleugnet werde. Ihnen gegenüber hielt das Konzil von Trient daran fest, daß ein ”purgatorium“ existiere u. daß den dort festgehaltenen ”Seelen“ durch das Meßopfer u. durch Fürbitten Hilfe zuteil werden könne; die Bischöfe hätten aber die Verantwortung dafür, daß in diesem Zusammenhang keine spitzfindigen Theorien aufgestellt oder die Menschen zu Neugier, Aberglauben u. Geldgier verführt würden. Die heutige kath. Theologie sieht die innerliche (ethische) Vollendung eines Menschen wegen der menschlichen Zeitlichkeit u. Mehrdimensionalität als zeithaften Vorgang an u. akzeptiert eine nur von ”außen“ kommende, dekretorisch erklärte Läuterung nicht. Anderseits geht sie hoffend davon aus, daß Gott sich beim Tod eines Menschen unwiderruflich für diesen entscheidet. Die Rettung durch Gott träfe dann in der Vielschichtigkeit des Menschen auf Widerstände, die durch frühere Fehlentscheidungen aufgebaut wurden. Die ”Erfahrung“ dieses Widerstands bedeutet Leiden, das nicht auf ein Strafdekret zurückgeführt u. physisch verstanden werden muß. Keinesfalls darf angenommen werden, daß die Rechtfertigung des Sünders durch das F. geschieht. Die Bedeutung einer Fürbitte für Verstorbene ergibt sich aus der Solidarität von Lebenden mit den Verstorbenen, die mit dem theol. Verständnis von Kirche gegeben ist.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Fegfeuer