Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Existentialethik
   (Individualethik) ist keine Einzeldisziplin der theol. Ethik, sondern eine wesentliche ethische Betrachtungsweise oder Perspektive, die davon ausgeht, daß das ethische Verhalten eines Menschen nicht nur der ”Fall“ einer allgemeinen ethischen (Wesens-)Norm, sondern die Verwirklichung eines Menschen in seiner einmaligen Individualität ist. Diese Verwirklichung ist ihm in einer je ihm allein möglichen Weise aufgegeben u. kann von allgemeinen Normen nicht adäquat erfaßt werden. Die E. ist daher eine notwendige Ergänzung der Wesens-Ethik (nicht deren Ersatz, wie das die Situationsethik sein wollte). Die E. versteht die allgemeinen ethischen Normen ”perspektivisch“ im Hinblick auf die ”Situation“ des einzelnen Menschen. ”Situation“ heißt der geschichtliche Ort des einzelnen Menschen, der aus seiner personalen Einmaligkeit, aus seinen individuellen Verhältnissen, aus der personal-geschichtlichen ”Befindlichkeit“, der ihm verstehensmäßig zugänglichen Wesens-Ethik besteht. Bei dieser ”Hin-wendung“ der allgemeinen ethischen Norm auf die Situation des einzelnen Menschen ist ”der Andere“, das ”Du“, die Gemeinschaft vom Handelnden betroffen, bestimmt aber auch ihrerseits die Situation des Handelnden in positiver Weise (indem er bzw. sie auch konkrete Ansprüche stellt oder Verhaltungen modifiziert). In dieser komplexen Situation u. ”hinter“ ihr wird legitim ein Anruf Gottes an den einzelnen Menschen gesehen, der nicht nur die allgemeinen ethischen Weisungen durchsetzen, sondern auch die Selbstverwirklichung des Subjekts anspornen u. in eine bestimmte Richtung führen will.
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