Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Erschaffung des Menschen
   ist ein wesentlicher Bestandteil der Schöpfungstheologie u. der theol. Anthropologie u. besagt, daß ”der Mensch“ als ganzer, ein jeder einzelne, Gottes Geschöpf ist. In der Auseinandersetzung mit antiken Anschauungen besagte dies zunächst, daß weder ”der Mensch“ noch seine Seele göttlich ist, ferner daß auch die Seele jedes einzelnen Menschen von Gott erschaffen ist u. nicht präexistent war (Kreatianismus, Präexistenzvorstellungen). E. d. M. besagt nicht, daß jeder einzelne Mensch von Gott ”aus nichts“ erschaffen wird. Zu den biblischen Grundaussagen: Schöpfungsmythen u . biblische Schöpfungserzählungen . Kirchenamtliche Aussagen, die sich auf die E. d. M. beziehen, sind offenbar von dem Interesse geleitet, eine Gleichsetzung ”des Menschen “ mit anderen Kreaturen (Lebewesen) als unvereinbar mit der Offenbarung Gottes aufzuzeigen. Die Frage nach der E. d. M. stellt sich heute im Horizont der in allgemeiner Form unbestritten angenommenen evolutionsbiologischen Sicht der Hominisation (Evolution). Die Entwicklungsgeschichte der Menschheit ist hinsichtlich einiger markanter Phasen erforscht: Vor etwa 2, 2 Millionen Jahren der ”Homo habilis“, vor etwa 1, 8 Millionen Jahren der ”Homo erectus“, ”Neanderthaler“ um 300 000 v.Chr., ”Homo sapiens“ um 100 000 v.Chr. Daß dieser Prozeß seinen Ausgang aus dem Tierreich nahm, wird heute in der Forschung nirgendwo bestritten. Da die Evolutionshypothese hinsichtlich der menschlichen Leiblichkeit von den kirchlichen Lehrinstanzen toleriert wird, konzentriert sich die Frage nach der E. d. M. heute auf die Herkunft der menschlichen Seele, u. zwar sowohl beim Ablauf der evolutiven Hominisation als auch beim Werden des einzelnen Menschen. Wenn, wie im heutigen Gespräch von Theologie u. Naturwissenschaften festgestellt wird, die Evolution ein vieldimensionaler Prozeß der Selbstorganisation des Geschaffenen ist, der auf die schöpferisch-begründende Initiative Gottes zurückgeht, dann könnte die Erschaffung des ganzen Menschen (auch mit Hilfe des Gedankens der Selbsttranszendenz) darin einbegriffen gedacht werden. Eine solche Sicht müßte die Überzeugung nicht behindern, daß ”der Mensch“ dabei zu einem personal bewußten Selbstverständnis u. Gottesverhältnis fähig wurde u. daß die Identität des menschlichen Individuums über den biologischen Tod hinaus bewahrt wird, kurz, daß ”der Mensch“ innerhalb der Evolution nicht ein Produkt des Zufalls ist.
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Ansicht: Erschaffung des Menschen