Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Einheit der Kirche
   1. Biblisch. In der ältesten Begrifflichkeit des NT zum Thema Kirche, bei Paulus, wird von ”der Kirche Gottes“ in der Einzahl u. von ”den Kirchen“ im Plural, nämlich im Sinn der Ortskirchen u. der Hauskirchen, gesprochen, ohne daß dies theol. problematisch wäre. Daß die Kirche nach dem Willen Gottes nur eine ist, ergibt sich aus den Metaphern für Kirche (Pflanzung Gottes, Tempel Gottes, Bau oder Haus Gottes usw.) wie aus theol. Begründungen: Die Kirche gründet in dem einenWirken Gottes, in der einen Offenbarung in dem einen Jesus Christus, im Wirken des einen Geistes (1 Kor 8, 6; Eph 2, 18 u. ö.), konkretisiert u. aktualisiert in dem einen Evangelium, der einen Taufe, der einen Eucharistie (am Modell des Leibes Jesu Christi verdeutlicht; 1 Kor 10, 17) u. dem einen Amt. Diese E. d. K. ist auf innere Einheit im Glauben u. in der Lebenspraxis angewiesen, daher wird die Grenze gezogen gegenüber dem ”Draußen“, in das sich ein Mensch durch schwere Schuld freiwillig begeben hat (Bußsakrament), u. insbesondere in der Abwehr der spalterisch wirkenden Parteibildungen der ”Falschlehrer“, die die E. d. K. bedrohen. Die Pluralität der Ortskirchen, der Kulturen u. Mentalitäten (Juden u. Heiden: Gal 2, 11–14) u. der Charismen ist legitim u. nicht lebensbedrohlich für die E. d. K. Eine Rückbindung an den einen Ursprung ist in der Anerkennung Jerusalems als der Mutterkirche zu sehen (Gal 2,1–10; Apg 15, 1–34), ohne daß daraus ein institutionelles Zentrum der E. d. K. gemacht worden wäre.   2. Systematisch. Die E. d. K. ist eines der vier im Glaubensbekenntnis genannten Merkmale der Kirche Jesu Christi. Die Existenz vieler institutionell von einander getrennter Kirchen u. kirchlicher Gemeinschaften läßt die Frage aufkommen, wie die Trennung zu überwinden u. die E. d. K. wiederhergestellt werden könnte. Dabei zeigt die E. d. K. zwei Aspekte. Theoretisch wäre die E. d. K. als Herstellung einer institutionell gesicherten Einheit denkbar, entweder durch eine Einigung auf eine institutionelle, mit Lehr- u. Leitungsbefugnissen ausgestattete Größe oder durch ”Rückkehr“ aller Getrennten in eine Mutterkirche, z. B. in die von Rom aus geleitete Großkirche. BeideWege sind nicht gangbar, weil Einheit hier von einer Uniformität her verstanden wäre, die von der großen Mehrzahl der Christen als (psychische) Gewalt, die zur Verleugnung von Gewissensüberzeugungen u. von Eigenwerten nötigen müßte, empfunden würde. E. d. K. kann aber auch von einem geschwisterlichen Gemeinschaftswillen her verstanden werden. Voraussetzung dafür wäre, gegenseitige Verurteilungen rückgängig zu machen u. unentwegt nach bestehenden Gemeinsamkeiten zu suchen, um von einer ”nicht vollen Gemeinschaft“ zu einer ”vollen Gemeinschaft“ zu gelangen. Das Ziel wäre eine E. d. K. als Kirchengemeinschaft selbständiger, in versöhnter Verschiedenheit mit einander verbundener Kirchen. Als Motiv, solche Gemeinschaft überhaupt herzustellen, wird durchwegs genannt, daß Spaltungen u. Feindseligkeiten das Gelingen desWerkes Gottes in derWelt beschädigen.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Einheit der Kirche