Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Dogmenentwicklung
Erst seit dem 19. Jh. wird die D. als Problem der kath. Theologie theoretisch reflektiert. Ein komplexer Tatbestand bildet den Ausgangspunkt: a) Bei dogmatischen Definitionen werden satzhaft Glaubenswahrheiten formuliert, die schon vorher zwar existierten, aber nicht schon immer als von Gott geoffenbart vorgetragen wurden; b) bei dogmatischen Definitionen werden Glaubenswahrheiten satzhaft u. verbindlich vorgetragen, die in der früheren Tradition in einer anderen Begrifflichkeit ausgesagt worden waren, so daß eine Entwicklung der sprachlichen Formulierung u. ihre Interessen (Abschirmung der früheren Aussage gegen Mißdeutungen, die nun als häretisch gelten) greifbar werden; c) es werden in dogmatischen Definitionen satzhaft Glaubenswahrheiten formuliert, für die es in der Tradition keine ausdrücklichen (”expliziten “), unmittelbar greifbar äquivalenten Sätze gibt, die sich bis zu den Aposteln zurückverfolgen ließen (Trinität, Sakramente, Dogmen über Maria von 1854 u. 1950; Papst, Unfehlbarkeit). Das Problem besteht darin, daß sich die Theologie vor der Aufgabe sieht, die Identität der ”entwickelten“, späteren Glaubensformulierung mit der in apostolischer Zeit verwendeten Formulierung der Offenbarung Gottes sowohl als grundsätzlich einsehbar als auch als in den einzelnen Fällen als vorhanden nachzuweisen. Die Schwierigkeit liegt darin, daß nach kirchlicher Lehre diese Offenbarung mit dem Tod der Apostel abgeschlossen ist (II. Vaticanum LG 25 ; DV 2 , 4 , 17 ) u. sich deshalb das kirchliche Glaubenszeugnis nur auf dasjenige beziehen kann, was die apostolische Generation von Jesus Christus (u. durch ihn vom Gottesglauben Israels) gehört u. als ihr Glaubensgut anerkannt hat. Die kirchliche Lehrautorität kann zwar für den einzelnen Gläubigen das Bestehen eines objektiven Zusammenhangs zwischen ”alten“ u. ”neuen“ Sätzen garantieren, aber sie kann diesen Zusammenhang nicht hervorbringen oder gar ersetzen. Abgelehnt wird der Versuch einer Antwort der nachtridentinischen Theologie, die in der Heiligen Schrift nicht enthaltenen Glaubenswahrheiten einer – ganz unbeweisbaren – ungeschriebenen Tradition seit apostolischen Zeiten zuzuordnen. Hinweise auf eine organische, dialektische Selbstauslegung der Idee des Christentums (Tübinger Schule des 19. Jh.), auf den Prozeß der geschichtlichen Vermittlung der ganzheitlichen christlichen Idee in ihren unterschiedlichen Aspekten (J. H. Newman †1890) oder auf die ”Überlieferung lebendiger Wirklichkeit“ gegen ein bloßes Satzverständnis (M. Blondel †1949) werden der harten Wirklichkeit nicht gerecht, daß die Dogmen eben satzhafte Formulierungen sind u. daß ein Zusammenhang zwischen ”alten“ u. ”neuen“ Sätzen rational einsichtig nachgewiesen werden muß, wenn ein ”neuer“ Satz nicht eine neue Offenbarung sein soll. Auch der Hinweis, daß der Abschluß des einmaligen ”amtlichen“ Offenbarungsgeschehens einen geschichtlichen Prozeß der reflexen Erkenntnis u. satzhaften Formulierung der zunächst eher ”global“ u. unreflex angenommenen Wahrheit nicht ausschließt, oder die Meinung, daß in der gelebten Glaubensgemeinschaft das Offenbarungsgeschehen immer neu aktualisiert u. sakramental vergegenwärtigt wird, erklären den Zusammenhang nicht. Das Problem der D. ist bisher nicht in einsichtiger Weise beantwortet.
Erst seit dem 19. Jh. wird die D. als Problem der kath. Theologie theoretisch reflektiert. Ein komplexer Tatbestand bildet den Ausgangspunkt: a) Bei dogmatischen Definitionen werden satzhaft Glaubenswahrheiten formuliert, die schon vorher zwar existierten, aber nicht schon immer als von Gott geoffenbart vorgetragen wurden; b) bei dogmatischen Definitionen werden Glaubenswahrheiten satzhaft u. verbindlich vorgetragen, die in der früheren Tradition in einer anderen Begrifflichkeit ausgesagt worden waren, so daß eine Entwicklung der sprachlichen Formulierung u. ihre Interessen (Abschirmung der früheren Aussage gegen Mißdeutungen, die nun als häretisch gelten) greifbar werden; c) es werden in dogmatischen Definitionen satzhaft Glaubenswahrheiten formuliert, für die es in der Tradition keine ausdrücklichen (”expliziten “), unmittelbar greifbar äquivalenten Sätze gibt, die sich bis zu den Aposteln zurückverfolgen ließen (Trinität, Sakramente, Dogmen über Maria von 1854 u. 1950; Papst, Unfehlbarkeit). Das Problem besteht darin, daß sich die Theologie vor der Aufgabe sieht, die Identität der ”entwickelten“, späteren Glaubensformulierung mit der in apostolischer Zeit verwendeten Formulierung der Offenbarung Gottes sowohl als grundsätzlich einsehbar als auch als in den einzelnen Fällen als vorhanden nachzuweisen. Die Schwierigkeit liegt darin, daß nach kirchlicher Lehre diese Offenbarung mit dem Tod der Apostel abgeschlossen ist (II. Vaticanum LG 25 ; DV 2 , 4 , 17 ) u. sich deshalb das kirchliche Glaubenszeugnis nur auf dasjenige beziehen kann, was die apostolische Generation von Jesus Christus (u. durch ihn vom Gottesglauben Israels) gehört u. als ihr Glaubensgut anerkannt hat. Die kirchliche Lehrautorität kann zwar für den einzelnen Gläubigen das Bestehen eines objektiven Zusammenhangs zwischen ”alten“ u. ”neuen“ Sätzen garantieren, aber sie kann diesen Zusammenhang nicht hervorbringen oder gar ersetzen. Abgelehnt wird der Versuch einer Antwort der nachtridentinischen Theologie, die in der Heiligen Schrift nicht enthaltenen Glaubenswahrheiten einer – ganz unbeweisbaren – ungeschriebenen Tradition seit apostolischen Zeiten zuzuordnen. Hinweise auf eine organische, dialektische Selbstauslegung der Idee des Christentums (Tübinger Schule des 19. Jh.), auf den Prozeß der geschichtlichen Vermittlung der ganzheitlichen christlichen Idee in ihren unterschiedlichen Aspekten (J. H. Newman †1890) oder auf die ”Überlieferung lebendiger Wirklichkeit“ gegen ein bloßes Satzverständnis (M. Blondel †1949) werden der harten Wirklichkeit nicht gerecht, daß die Dogmen eben satzhafte Formulierungen sind u. daß ein Zusammenhang zwischen ”alten“ u. ”neuen“ Sätzen rational einsichtig nachgewiesen werden muß, wenn ein ”neuer“ Satz nicht eine neue Offenbarung sein soll. Auch der Hinweis, daß der Abschluß des einmaligen ”amtlichen“ Offenbarungsgeschehens einen geschichtlichen Prozeß der reflexen Erkenntnis u. satzhaften Formulierung der zunächst eher ”global“ u. unreflex angenommenen Wahrheit nicht ausschließt, oder die Meinung, daß in der gelebten Glaubensgemeinschaft das Offenbarungsgeschehen immer neu aktualisiert u. sakramental vergegenwärtigt wird, erklären den Zusammenhang nicht. Das Problem der D. ist bisher nicht in einsichtiger Weise beantwortet.