Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Christologie
   ist die Bezeichnung für das theol. Lehrstück (Traktat der Dogmatik) über Jesus Christus . Von Thomas von Aquin († 1274) an bis in die 2. Hälfte des 20. Jh. wurde zwischen der Person Jesu u. ihren geoffenbarten Qualitäten einerseits u. seinem Werk, seiner Heilsbedeutung, anderseits unterschieden u. über die Person in der Ch., über das Werk in der Soteriologie (Lehre von der Erlösung) gesprochen, eine Trennung, die nun effektiv überwunden zu sein scheint. In der Geschichte des Traktats der Ch. wurde diese bis ins 12. Jh. nach der Lehre über den Sündenfall (die auf Trinitätslehre u. Schöpfungslehre folgte) vorgetragen, die Frage nach der Inkarnation u. ihrem Motiv also nur von der Rettung der ”verlorenen“ Menschheit her beantwortet. Die neuere Theologie sah zunächst auf die innerste Verbindung von Trinitätslehre u. Ch.: Entsprechend der Offenbarung Gottes ist es das göttliche Wort (der Logos), in dem Gott eine andereWirklichkeit annahm im Unterschied zu der Wirklichkeit, in der er ”immer schon“ war, u. diese neueWirklichkeit (in der Inkarnation) ließ er zur Erscheinung seiner wirklich ihn ”zeigenden“ Gegenwart werden (Trinität) . Erst von dieser Verbindung von Trinitätstheologie u. Ch. her kann die Theologie die Schöpfung verstehen u. die Geschichte deuten. In der Geschichte der Ch. lag der Schwerpunkt aller zur Geltung in der Kirche gelangten Bemühungen um Verstehen u. Redeweisen lange Zeit bei der Göttlichkeit Jesu unter einer gewissen Zurücksetzung seines wahren Menschseins. Bei aller Aufmerksamkeit für seine Sendung als Offenbarer u. für Kreuz, Tod u. Auferweckung waren sein Leben u. seine Reich-Gottes-Praxis nicht Thema der Ch. (so wie sie auch im Credo fehlen). Die Kompromißformel des Konzils von Chalkedon schien den Ausgangs- u. Endpunkt aller Ch. zu markieren: In Jesus Christus sind zwei Naturen, Gottheit u. Menschheit, zu einer Person geeint, getragen von der Hypostase des göttlichen Logos, der die menschliche Natur ”angenommen“ hat (Hypostatische Union ). Zugleich bot sie wenig Raum für eine Integration der Soteriologie. In der Neuzeit wurde das Menschsein Jesu außerhalb der offiziellen Ch. thematisiert (Aufklärung, G. W. F. Hegel †1831, Leben-Jesu-Forschung im Zeichen kritischer Bibelexegese). Neuansätze im 20. Jh. (Jesus Christus ) zeigten, daß die Ch. mit der Formel von Chalkedon nicht für alle Zeiten abgeschlossen war. Die Spannung einer ”Ch. von oben“ u. einer ”Ch. von unten“ weist auf weiterhin zu bearbeitende Aufgaben der Ch. hin. Hat die ”Ch. von oben“ in ihrer Weiterentwicklung erreicht, daß Möglichkeit u. Bedeutung dessen deutlich wurde, daß Gott selber ”das andere seiner selber“ wird, so ergab sich bei der ”Ch. von unten“ nur eine Anzahl z.T. heterogener ”Zugänge“ (Schwerpunktsetzungen beim Tod, bei der Auferweckung; im Leiden: Politische Theologie ; beim Befreier: Befreiungstheologie; sehr differenziert in der feministischen Theologie, Feminismus). Die Reformatoren haben, bei allemWillen, an der altkirchlichen Ch. festzuhalten, jeweils auf ihre Weise die Heilsbedeutung Jesu besonders betont. Die Integration der Soteriologie in die Ch. leidet daran, daß kein Konsens darüber besteht, was ”Erlösung“ durch Jesus Christus ist. Die (”skotistische“) Antwort, daß bereits in der Menschwerdung des göttlichen Logos die denkbar höchste, geschichtliche u. unwiderrufliche Selbstmitteilung Gottes an das von ihm geschaffene Nichtgöttliche zu sehen ist u. daß in dieser immer gültigen, sich verschenkenden Zuwendung der Liebe (u. Vergebung) die Erlösung besteht, findet Beachtung, aber nicht allseitige Zustimmung.
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