Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Chiliasmus
   (griech. ”chilia“, tausend = Lehre von den tausend Jahren), auf der Grundlage von Offb 20, 1–15 entstandene Spekulation über eine tausendjährige irdische Herrschaft Jesu Christi, die dem Ende der Welt vorausgehe. Die jüdische Erwartung eines diesseitigen, rettenden Eingreifens Gottes wird damit christlich rezipiert, aber mit der Aussicht auf eine völlig neue Schöpfung nach dem Endgericht nicht wirklich versöhnt. Viele Kirchenväter (besonders zu nennen Irenäus von Lyon † um 202) vertraten den Ch. im Sinn einer realen Hoffnung. Er wurde sachlich wiederbelebt, ohne ausdrücklichen Rückgriff auf Offb 20, durch Joachim von Fiore († 1202), danach durch die Franziskanerspiritualen, die damit die Absage an die verweltlichte Großkirche verbanden. Die reale chiliastische Auffassung wurde durch Augustinus († 430) bekämpft, der das 1000jährige Reich mit dem in der Kirche bereits gegenwärtigen Reich Jesu Christi identifizierte. Seit der Ablehnung des Ch. durch die Scholastik (Thomas von Aquin † 1274) wird er in der kath. Theologie nicht mehr ernsthaft vertreten. Neu aktualisiert wurde er in radikalen reformatorischen Kreisen, in Freikirchen u. Sekten. Die gegenwärtige Theologie lehnt in großer Mehrheit die Identifizierung der Kirche mit dem Reich Gottes auf Erden ab u. bemüht sich, den Gedanken der Rettung u. Vollendung der Schöpfung in die Eschatologie zu integrieren, ohne in einem Ch. vordergründigen Trost anzubieten.
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