Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Buße
   (sprachlich zusammenhängend mit Besserung) bezeichnet in spezifisch christlichem Sinn das richtige, von Gott dem Menschen geschenkte Verhalten in Gesinnung u. Aktivitäten gegen die Sünde; es beinhaltet zwei in ihrer Eigenart verschiedene ”Bewegungen“: die Abkehr von der Sünde (von eigenen Sünden u. von der Sünde überhaupt) u. die aktive Hinkehr zu dem von Gott Gewollten. Die B. ist Gabe Gottes u. Voraussetzung der Vergebung, die nicht durch menschliche Leistung bewirkt werden kann. Die Umkehr u. Neuorientierung der Lebenshaltung eines Menschen bedeutet (wenigstens letztlich, als Vollendung des Umkehrprozesses) ein innerliches Erfassen der Liebe Gottes, das den Menschen in allen seinen Schichten ergreift u. umformt. Von da aus läßt sich die in Andeutungen schon im NT greifbareMeinung der frühesten Christenheit verstehen, daß Gottes Initiative in einer solch radikalen Weise nur einmal im Menschen wirksam wird, so daß es grundsätzlich nur eine B. geben kann. Im Widerspruch dazu stehen die Erfahrungen, daß die B. als Aufarbeitung der verkehrt orientierten Vergangenheit u. als Hineinwachsen in die Nähe Gottes ein langwieriger Prozeß sein kann, u. daßMenschen die einmal gewonnene Überzeugung revidieren, sie aber unter Umständen in einem neuen Prozeß wiedergewinnen können. Die ”Äußerungen“ der B. hängen von der Sünde ab: Ist sie direkte u. bewußte Ablehnung Gottes? Oder ist sie Verweigerung eines Gehorsams gegenüber den erkanntenWeisungen Gottes in punktuellen Einzelgegebenheiten? Oder ist sie, da das Gottesverhältnis immer menschlich vermittelt ist, relevante Ablehnung göttlicher Weisungen im mitmenschlich-sozialen Bereich? – In der klassischen kath. Theologie gilt die B. als eigene Tugend, einmaliges Geschenk der Gnade Gottes, das im Lauf eines Lebens niedergehalten u. unfruchtbar gemacht werden, aber auch wiederaufleben kann. Der wesentliche Akt der B. als Tugend besteht in der von Gott geschenkten Reue, vom Konzil von Trient beschrieben als ”Schmerz der Seele u. Abscheu über die begangene Sünde mit dem Vorsatz, in Zukunft nicht mehr zu sündigen“. In der kirchlichen Tradition des Christentums bildeten sich mannigfaltige Formen heraus, in denen sich B. konkretisiert. Die wichtigeren von ihnen sind: 1) Versöhnung durch das Hören des Wortes Gottes mit seiner Kritik an der Selbstgerechtigkeit u. in der dialogischen Form dieses Hörens, im Gebet; 2) durch Wiedergutmachung (vgl. Mt 5, 23 f.); 3) durch produktive Liebe, die in Einheit Gottes- u. Menschenliebe ist; 4) durch Gespräch, in dem die Kritik des eigenen Fehlverhaltens angenommen wird; 5) durch ”Abtötung“, Entsagung, ”Bußwerke“. Abgesehen von den Mißverständnissen, als werde Gott durch asketische Leistungen zur Vergebung bewegt, als könnten eigene oder fremde Sünden durch Opfer ”gesühnt“ werden, als seien Verzicht auf Freude, Lust u. Genuß, Unterdrückung der menschlichen Sinnlichkeit Werte an sich oderWertzuwachs für Gott (so in dualistischen u. manichäischen Auffassungen) ist auf die Gefahr pathologischer Bußpraktiken masochistischer Art zu achten. Zu richtig verstandenen Bußwerken: Askese; 6) Versöhnung durch die Kirche, in der Gott einen Raum der Versöhnung u. des Friedens eröffnen wollte. Den gläubigen Grundvollzügen der Kirche, den von Gottes Gnade getragenen Sakramenten, wurde von der kirchlichen Frühzeit an sündenvergebende Wirkung zugesprochen: a) Das erstrangige sündenvergebende Sakrament ist die Taufe. Ihre Einmaligkeit entspricht der Einmaligkeit der von Gottes Gnade bewirkten Grundumkehr; b) unter den Sakramenten der Versöhnung der schon Getauften steht an erster Stelle die Eucharistie. Nach der Lehre des Konzils von Trient schenkt sie die Gabe der B. u. tilgt auch die schwersten Sünden; c) in der kirchlichen Lehre u. Praxis hinsichtlich der sündenvergebenden Sakramente steht das Bußsakrament im Vordergrund; d) im Sakrament der Krankensalbung soll angesichts der andrängenden schweren Krankheit dem leidenden Menschen, begleitet von der kirchlichen Fürbitte, die vergebende Gnade Gottes zuteil werden.
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