Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Bund
   ist ein biblisch-theol. Begriff (hebr. ”berit“, griech. ”diatheke“, lat. ”testamentum“), mit dem das einzigartige Verhältnis JHWHs zu seinem geliebten u. für immer erwählten Eigentumsvolk Israel in einer bestimmten Hinsicht ausgesprochen wird. In der Kulturgeschichte steht B. zuweilen für ein in erster Linie rechtliches Verhältnis zweier (gleicher oder unterschiedlicher) Partner mit Festlegungen der gegenseitigen Pflichten u. Rechte. Bundesschlüsse wurden u. werden (wie beim Ehebund u. bei Staatsverträgen) rituell inszeniert. In der systematischen christlichen Theologie war der Begriff B. außer in der reformierten Föderaltheologie des 16. u. 17. Jh. u. bei Karl Barth († 1968) nicht von Bedeutung.   1. Im Ersten Testament. Zu unterscheiden sind sprachlich die Redeweise vom B. im Singular, von Bünden u. von einer Vielzahl von Bundesschlüssen (Bundeserneuerungen) sowie die Bundestheologie. Heutige Exegese datiert den Beginn einer Bundestheologie mit dem Anspruch Gottes, der einzige Gott Israels zu sein, mit Verheißungen Gottes (vor allem der Zusage, sich in einzigartiger Weise an Israel zu binden) u. mit der freiwilligen Selbstverpflichtung des Volkes auf die Bundeserwartungen Gottes auf den Beginn des 7. Jh. v.Chr. In Ex 19–34 werden drei Bundesschlüsse am Sinai erzählt. Gen 15, 7–18 hat sachlich einen B. Gottes mit Abraham zum Thema. Jos 24 berichtet von einem B. in Sichem u. markiert den Beginn der Auffassung, daß der Gehorsam gegenüber der Tora zu den Bedingungen des Bundes gehört. Nach 2 Kön 2, 1 ff. wurde 622 v.Chr. im Jerusalemer Tempel das Bundesbuch aufgefunden, vorgelesen, gefolgt von einem Bundesschluß. Breiten Raum u. theol. Entfaltung bietet das Buch Dtn dem Bundesthema. Es handelt von einem B. am Horeb (= Sinai) u. einem B. inMoab. ImEndergebnis wird deutlich, daß Gott ungeachtet aller Bundesbrüche u. trotz der notwendigen Strafen (Verbannung Israels ins babylonische Exil) in ewiger Treue zum B. stehen wird, der ein B. ungleicher Partner mit völliger Gleichberechtigung ist u. der aufseiten Israels die Verpflichtung auf den Dekalog u. auf die mosaische Tora enthält. Heutige Exegese hält das Bundesbuch Ex 20 u. 33 u. den Bericht vom Sinaibund Ex 24, 3–8 (Ritus der Besprengung mit Blut beim Bundesschluß nur dort) für ”spätexilisch“. Als noch später werden u. a. die Erzählungen von Bundesschlüssen mit Noach (Gen 9) u. wiederum mit Abraham (Gen 17) angesetzt, die stärker die Bindung Gottes an seine Gnade betonen. Die Bundestheologie der Propheten findet sich bei Jer, Ez u. Dt-Jes., wobei die Heilsverheißungen trotz aller Bundesbrüche gelten u. unterschiedlich umschrieben werden: als ”neuer“ B. (Jer 31, 31–34), als Ehe-B. (Ez 16, 59–63), alsWiederherstellung Israels bei Jer u. Ez u. als Heilsansage für die nichtisraelitischen ”Völker“ in Dt-Jes. Auch in anderen Texten (u. a. Psalmen) des AT wird der B. thematisiert. Bei allen unterschiedlichen Sichtweisen u. geschichtstheol. Interessen dominiert das Thema der unverbrüchlichen Treue Gottes zum B., der Verheißung eines universalen Heils, bei aller realistischen Einsicht in das fortwährende Versagen des menschlichen Bundespartners.
   2. Im Neuen Testament. Sachlich läßt das NT das Fortbestehen der Bundesbindung erkennen, wenn auch der Begriff B. viel weniger als im ATauftaucht. In der Erzählung vom Abendmahl lassen 1 Kor 11, 25 u. Lk 22, 20 Jesus den Kelch mit dem neuen B. in seinem Blut identifizieren, während Mk 14, 24 u. Mt 26, 28 im Kelch das Blut des Bundes, das für ”die Vielen“ vergossen wird, erkennen. Nach heutiger Exegese besagen die Worte keinesfalls einenWiderruf des Bundes Gottes mit Israel u. eine Ablösung des alten Bundes durch einen neuen, vielmehr weisen sie auf die durch Jesus eröffnete Möglichkeit der Versöhnung u. Vergebung kraft der Bundestreue Gottes hin. Es wird diskutiert, ob das Bundesmotiv in beiden Traditionslinien überhaupt auf Jesus zurückgeht, wenngleich die Einfügungen sehr früh erfolgt sein müßten. – Paulus sieht den Verheißungs-B. Gottes mit Abraham als primäre Größe an, die den Sinai-B. als ”alte“ Wirklichkeit erscheinen läßt (Gal , 13–17; vgl. die Typologie Gal 4, 21–31 u. die Entgegensetzung 2 Kor , 6–18). Die polemischen Spitzen bei Paulus werden nicht ausgeglichen, aber positiv überholt in Röm 9–11 mit der Beteuerung der bleibenden Erwählung Israels, dem die Bündnisse gehören (Röm 9, 4) u. das als ganzes am Ende gerettet werden wird. – Breiten Raum nimmt das Bundesthema im Hebr ein, der in seiner soteriologischen Theorie vom Hohepriester Jesus Christus den ”alten B.“ abwertet (7, 22; 8, 6), Jesus Christus zum Mittler des ”neuen Bundes“ erklärt (ebd. u. 9, 15) u. vom reinigenden Blut des Bundes im Tod Jesu spricht (9, 20; 10, 29; 1, 20). Diese im NT singuläre Deutung war verhängnisvoll im Kontext der antisemitischenWirkungsgeschichte, so sehr sie der Intention u. dem Adressaten-Kontext nach begrenzt gewesen sein mag.
   3. Die Aktualität des Themas ist im Nachdenken über das Verhältnis von Judentum und Christentum zu sehen. Unbestritten ist, daß der Bund Gottes mit Israel weiterbesteht u. die Heilsverheißungen für die Juden allezeit ihre Kraft behalten. Weithin besteht Konsens darüber, daß der ”neue B.“ den ”alten“ nicht abgelöst hat; wenn die Rede von ”Bünden“ oder ”Bündnissen “ ist, sind nicht nur zwei, sondern die vielen Bundesschlüsse des AT gemeint. Diskutiert wird darüber, auf welchemWeg die Heilsverheißungen des Bundes für die Jüngerinnen u. Jünger Jesu Geltung erhalten: Erneuerung des einen Bundes durch den Juden Jesus oder Zulassung der Christen in den einen B. kraft der Hingabe Jesu oder Ausweitung der Heilsverhei-ßungen des Bundes auf die Glaubenden ohne eigentliche Zugehörigkeit zum Bund.
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