Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Bekenntnisschriften
   die Grundschriften, die von einer Kirche als Sammlung u. zuverlässige Formulierung ihrer Glaubenswahrheiten offiziell anerkannt sind. Sie können gegebenenfalls der Kontrolle der Rechtgläubigkeit innerkirchlicher Meinungsäußerungen oder der Abgrenzung gegenüber anderen ”Bekenntnissen“, Gemeinschaften u. Kirchen dienen. Im fachlichen Sinn spricht man bei der kath. Kirche nicht von B., doch existiert eine Vielzahl von verbindlichen Glaubensbekenntnissen mit gleicher Zielsetzung. Ebenso kennen die orthodoxen Ostkirchen keine für alle Kirchen verbindlichen B. In den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen stellen die B. nicht ”Summen“ des ganzen Offenbarungsglaubens, sondern ”konfessionskirchliche Lehrnormen“ dar, deren Beginn schon 1528 zu konstatieren ist u. die in großer Anzahl existieren. Die wichtigste lutherische Bekenntnisschrift ist das Konkordienbuch 1580 (eine Sammlung überregionaler B.), nicht in allen luth. Kirchen anerkannt. Verbindlich für alle luth. Kirchen sind, in das Konkordienbuch aufgenommen, das Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana 1530) u. Luthers Kleiner Katechismus (1529). Im reformierten Bereich, in dem eine Vielzahl von B. regionaler Prägung vorhanden ist, kommt keine an Ansehen den luth. B. gleich. Die anglikanischen ”39 Artikel“ (1563–1571) u. die B. anderer ev. Kirchengemeinschaften (Kongregationalisten, Baptisten,Methodisten) haben unterschiedliche, meist nicht sehr stark verpflichtende Geltung. Bergpredigt, eine der fünf großen, Jesus im Matthäusevangelium zugeschriebenen Reden, die weithin als Inbegriff der Weisungen Jesu zu spezifisch ”christlichem“ Verhalten gilt. Nach heutiger Exegese liegt ihr eine in der Logienquelle Q enthaltene Rede zugrunde, die in die ”Feldrede“ im Lukasevangelium einging (Lk 6, 20–49). Aus diesen u. weiteren überlieferten Texten wurde im Matthäusevangelium die B. in eigenständiger Bearbeitung komponiert (Mt 5, 1 – 7, 29). In den Seligpreisungen (Makarismen) (Mt 5,3–12) werden die von den Jesusjüngern erwarteten Gesinnungen u. praktischen Taten mit Verheißungen verbunden. Im Hinblick auf die Zielsetzung der B., nämlich nicht eine universale ethische Theorie, sondern das ”Grundgesetz“ der Jüngergemeinde zu sein, ist die Klärung des Verhältnisses zur jüdischen Tora von besonderer Bedeutung: Jesus ist nicht gekommen, das ”Gesetz“ (= die Tora) u. die Propheten ”aufzulösen“, sondern sie zu erfüllen (Mt 5, 17), u. die ”kleinsten“Weisungen der Tora sind im praktischen ”Tun“ von denen zu erfüllen, die am ”Reich der Himmel“ interessiert sind (Mt 5, 18 f.). In den Antithesen (Mt 5, 21–48) werden die ethischen Weisungen Jesu mit dem ”Ich aber sage euch“ nicht in einen antijüdischen Gegensatz zur Tora gebracht, sondern sie werden mit einer bestimmten, die Tora erweiternden Gesetzesüberlieferung konfrontiert. Nach exegetischer Ansicht stammen die Antithesen zum Töten, zum Ehebruch u. zum Schwören von Jesus selber. Die in den Antithesen enthaltenen Weisungen zielen auf die Erfüllung des Willens Gottes in der Schöpfung u. im Hinblick auf die Herrschaft Gottes ; ihr Kern ist die konkret-praktische radikale Liebe (schon in der lukanischen Feldrede war die Feindesliebe der Inbegriff des Christseins). Von der von Gott gewollten u. in Gnade geschenkten neuen Gerechtigkeit sprechen die Weisungen zu Almosen, Gebet (mit dem Vaterunser) u. Fasten (Mt 6,1–18). Besonders bedeutsam im Zusammenhang mit dem Thema der Liebe u. in der Wirkungsgeschichte bis heute relevant ist in den daran anschließenden Weisungen die Goldene Regel “ (Mt 7, 12). – Im kirchlichen Verständnis der B. erhob sich von Anfang an die Frage, ob ihre radikalen Forderungen ”erfüllbar“ seien. Die Kirchenväter des Altertums bejahten diese Frage fast einstimmig. Im Mittelalter entstand die Unterscheidung der evangelischen Räte “, d.h. der B., die nur für den engeren Jüngerkreis Geltung hätten, u. den für alle Christen bestimmten ”Geboten“ (Dekalog). M. Luther († 1546) sah die Christen als gespalten an: ihnen als Glaubenden gälten die Forderungen der B., als Angehörige der Welt hätten sie sich nach öffentlichen Gesetzen zu richten (Zwei-Reiche -Lehre ). In der Neuzeit wollte man, unter Ablehnung der buchstäblichen Forderungen, in der B. das Programm einer ”Gesinnungsethik“ sehen, während in der neuesten Zeit bis zur Gegenwart sowohl die Radikalität der Entscheidung für das Reich Gottes als auch die radikale Verpflichtung zu einem in Kontrast zu den bestehenden Lebensverhältnissen befindlichen praktischen Verhalten (”Verantwortungsethik“) betont werden. ”Die B. muß als konkrete Formulierung der Liebe aus ganzem Herzen verstanden werden, die demMenschen in Gottes Pneuma möglich ist, wenn er anfängt, danach zu verlangen u. in ihrem Anfang nicht nach ihrer Größe fragt, sondern nach Gott, nicht nach dem Genuß der eigenen Gesinnung, sondern nach der Leistung für andere, u. er dabei weiß, daß die variable Leistung nie restlos die immer selbe, aber wachsende Liebe mit sich identisch setzen darf“ (Rahner-Vorgrimler 1961, 48).
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