Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Autonomie
   (griech. = Selbstgesetzlichkeit), meint in der griech. Antike die Möglichkeit u. Fähigkeit einer Gemeinschaft, sich ihre Rechtsnormen in eigener Verantwortung zu geben (weiterwirkend als Grundlage staatlicher Souveränität sowie in der ostkirchlichen Konzeption ”autokephaler“ Kirchen). Der ethische Aspekt wurde durch I. Kant († 1804) eingehend reflektiert. Nach ihm bedeutet A. freiwillige Selbstbindung. Das ethischeWollen müsse von jeder Fremdbestimmung frei sein u. müsse befähigt sein, sich selber in Freiheit das Gesetz seines ethischen Handelns zu geben. Dieses Gesetz müsse sich als gemäß der Vernunft erweisen. Weil die Vernunft überall gleich u. nur eine sei, bedeute die Subjektivität in der Ethik nicht Willkür; folgt das Wollen seinem vernunftgemäßen eigenen Gesetz, dann handle es gleichzeitig auch allgemein. Die klassische theol. Ethik hatte bereits von der Verpflichtung jedesMenschen, in Freiheit u. entsprechend der Vernunft zu handeln, gesprochen u. hierin die Begründung der Verantwortung gesehen (z. B. Thomas von Aquin †1274, auch mit seiner Lehre von der Bindung an das irrige Urteil des Gewissens). Die neuere Polemik gegen das Programm einer ”autonomen Moral“ in der kath. Theologie übersieht diese Tradition, daß nur dort eine ethische Verpflichtung besteht, wo sie als vernunftgemäß erkannt u. bejaht wird. Das bedeutet nicht, daß Gott als der Schöpfer der vernunftbegabten Person u. damit als transzendenter Grund aller ethischen Verpflichtungen geleugnet würde. Neuzeitliche philosophische Diskussionen beziehen sich vor allem auf Begriff u. Leistungsfähigkeit der Vernunft.
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