Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Auferstehung{ (Auferweckung)} Jesu Christi
1. Zu den neutestamentlichen Zeugnissen. Eine ”Beweisführung“ im Sinn der Geschichtswissenschaft für die Tatsache, daß Jesus Christus nach seinem wirklichen Tod, seiner Abnahme vom Kreuz u. seiner ordnungsgemäßen Bestattung durch Gott aus dem Tod gerettet u. in seiner ganzen u. darum auch leibhaften Wirklichkeit zu seiner Vollendung geführt wurde, steht nicht im Vordergrund der Osterbotschaft des NT .Wenn Glaube u. Theologie dennoch von einer geschichtlichen Tatsache der A. Jesu sprechen, dann stützt sich das auf zwei sich gegenseitig tragende u. erhellende Erfahrungen, die auch in historisch-kritischer Sicht jeder ernsthaften Bestreitung standhalten. Die eine Erfahrung ist die Entdeckung des leeren Grabes (älteste Bezeugung Mk 16, 1–8), die nach kritisch-exegetischem Befund gerade nicht in den Dienst einer apologetischen Beweisführung gestellt wurde, denn einerseits wurde das leere Grab durch Frauen entdeckt, die nach damaligem Recht zeugnisunfähig waren (”leeres Geschwätz“: Lk 24, 11), u. der Bericht schloß mit einem bloßen Furchtmotiv (Mk 16, 8); anderseits war der Bericht in Jerusalem nachprüfbar u. es existiert keinerlei Zeugnis dafür, daß die Tatsache des leeren Grabes bestritten wurde. Die andere Erfahrung ist die, daß sich Jesus mehrmals als Lebendiger selber bezeugt hatte. Das älteste Zeugnis dafür ist 1 Kor 15, b-5, ein ursprünglich aramäisch gefaßtes, in den ersten Jahren der Urgemeinde, also kurz nach dem Tod Jesu entstandenes Traditionsstück, das nach der jüdischen Anthropologie nur eine leibliche A. meinen u. jedenfalls nicht ”reine Legitimationsformel“ sein kann (sehr alt sind auch die formelhaften Bekenntnisse 1 Thess 1, 10; 4, 14). Diese Selbstbezeugung Jesu geschah gegenüber ausgewählten Zeugen, die ihren Glauben nicht in erster Linie aufgrund des leeren Grabes bekundeten, sondern aufgrund einer durch eigene Wahrnehmung gewonnenen eigenen Überzeugung, die nachträglich auch in den Evangelien für andere glaubwürdig gemacht wird durch den Bericht über die in Jerusalem unbestrittene u. un-bestreitbare Auffindung des leeren Grabes. – Wie schon 1 Kor 15, 3–5, so bekunden auch die Petrusreden Apg 2, 22–40; , 12–16; 5, 29–32; 10, 34–43 u. ö. (übrigens Zeugnisse von einem Streit über die A.) den Osterglauben der Urgemeinde an die Machttat Gottes in der Auferweckung u. Sichtbarmachung Jesu. Die Texte über diesen frühesten Osterglauben wollen die Erscheinungen des Auferstandenen als objektive Ereignisse bezeugen (das Grundschema der ältesten Osterpredigt war: Auferweckung – Schriftbeweis – Jüngerzeugnis; das spätere Schema: leeres Grab – Christophanie – Himmelfahrt). Weitere wesentliche Momente am Zeugnis über diese Erscheinungen sind das Interesse an einem Nachweis, daß der Auferstandene mit dem Gekreuzigten identisch ist (z. B. Lk 24; Joh 20), u. das Faktum, daß bei der Bezeugung den Aposteln u. vor allem dem Petrus eine hervorgehobene Bedeutung zukommt, die durch die Berichte von den Reden des Auferstandenen noch einmal eigens untermauert wird. Im NT ist die A. Jesu immer unter der vom Zeugnis nicht ablösbaren Voraussetzung eines objektiven Ereignisses bezeugt, das nicht genügend, wenn auch nicht unrichtig, mit ”A. ins Bewußtsein der Glaubenden“ wiedergegeben wird. Angesichts der Neuartigkeit u. Andersartigkeit, wie der ”Leib“ des Auferweckten wahrgenommen wird, ist es verständlich, daß gesagt wird, die in bestimmten Kreisen des damaligen Judentums erwartete Auferstehung der Toten diene als ”Interpretament“ der Ostererfahrung der Jünger (auch bei der Entrückung auserwählter Gerechter wie Henoch u. Elija zu Gott wurde an einen ”feinstofflichen“, d. h. verwandelten Leib gedacht). Aber diese Erfahrung bestand nicht nur in einem inneren, interpretationsbedürftigen Reflexionsvorgang, sondern war offenkundig fundiert in objektiven Ereignissen. – Der Inhalt des apostolischen Glaubens an die A. Jesu u. seiner Bekundung in Katechese u. Liturgie (besonders in der Taufe) besagt sehr kurz gefaßt: Die A. Jesu ist die höchste Machttat des Vaters; sie ist die ”greifbare“ Eröffnung der Endzeit u. ihres Heils u. zugleich die Erfahrung des Heils in der Gegenwart. Sie ist die volle Erkenntnis Jesu u. seiner Besonderheit, die nun mit unterschiedlichen Formeln christologisch umschrieben wird (Menschensohn, zweiter Adam, ”Anführer des Lebens“, Knecht Gottes , Begründer u. Vorbild der neuen Schöpfung, Kyrios, der seiner Gemeinde als Erhöhter gegenwärtig ist, Sohn Gottes usw.). Aus dieser Erkenntnis des Lebendigen ergibt sich die Mahnung zur Praxis eines neuen Lebens, zum ”Anziehen“ des neuenMenschen, eine Mahnung, die freilich nur in der vom Auferweckten vermittelten Gnade erfüllt werden kann, da es letztlich der ”Geist“ des Auferstandenen ist (vgl. Röm 7, 6; 8, 9; 14, 17 u. ö.), der den Glaubenden neu macht zum Bild des ”letzten u. himmlischen Adam“ (vgl. 1 Kor 15, 45–49), ja der ihn dazu befähigt, daß der Auferstandene in ihm Gestalt annehmen kann (vgl. Röm 8, 10; Gal 2, 20; Eph , 17). 2. Theologische Bedeutung. Die A. Jesu ist wesentlicher Bestandteil aller Glaubensbekenntnisse von Anfang an u. gehört daher bis heute zum gemeinsamen Glauben der von einander getrennten Kirchen. Sie bleibt zentrales Thema auch heutiger Theologie, da sie die Vollendung des Heilswirkens Gottes an der Schöpfung u. an der Menschheit anzeigt. Das Wort Gottes, der ”Sohn“ schlechthin, ist durch die A. Jesu endgültig ausgewiesen; in dieser A. nimmt Gott das geschaffene Nichtgöttliche mit der Materie unwiderruflich u. endgültig zu eigen an. Es handelt sich bei der A. Jesu insofern um ein eigentliches Geheimnis des Glaubens, als sie in ihrem vollen, konkreten Wesen die Vollendung gerade des konkreten Jesus Christus ist u. daher nur von dem absoluten Geheimnis der Inkarnation her adäquat verstanden werden kann. Theologisch ist die A. Jesu also nicht einfach ein Fall einer allgemeinen Totenerweckung, die in sich schon verständlich wäre, sondern das einmalige Ereignis, das die Menschwerdung, das Leben Jesu mit seinen Einzelheiten, sein Leiden u. seinen Tod vollendete u. das darum die Grundlage für die Auferweckung der im Glauben an ihn u. mit ihm Gestorbenen ist. a) Der christologische Aspekt der A. besagt, daß Jesus in seiner ganzen u. darum auch leibhaften Wirklichkeit zur verklärenden Vollendung auferweckt wurde, die ihm zukam kraft seines Leidens u. Sterbens. Diese konkrete Vollendung unterscheidet sich von der Wiedererweckung eines Toten u. von einer Rückkehr in das irdische Leben mit seiner irdischen Leiblichkeit. Der Tod u. die A. Jesu sind ein einziger, innerlich unlösbar zusammenhängender Vorgang (vgl. Lk 24, 26 46; Röm 4, 25; 6, 4 ff.). Der Tod ist ein Endgültig-Werden, ein Vollendet-Werden, in dem das Dasein in Zeitlichkeit u. in Freiheit sich aus-gezeitigt hat, so daß die Vollendung nicht etwas völlig Unterschiedenes wäre, das wie eine auf das Alte folgende neue Periode einfach daran-gefügt würde. Dennoch ist die Vollendung auch zugleich von Gott geschenkt, da der Tod ja in jeder Hinsicht ein Sich-Einlassen auf die Verfügung des Verfügenden ist. Die A. Jesu ist darum das vollendende u. vollendete Ende eben dieses seines Todes als Tat u. als Verfügung, u. beide Momente des einen Vorgangs müssen sich gegenseitig bedingen u. interpretieren. Darum ist es nicht eine mythische Aussage, sondern die Aussage des Sachverhalts selbst, wenn Schrift u. Tradition die A. Jesu als die reale Annahme der Lebenshingabe Jesu durch den Vater betrachten. – b) Zum soteriologischen Aspekt der A. Jesu: Da die leibhafteMenschheit Jesu ein bleibender Teil der Welt u. Menschheit mit ihrer einheitlichen Dynamik auf ihre von Gott in seiner Selbstmitteilung bewirkte Vollendung hin ist, darum darf die A. Jesu als ein Anfang verstanden werden, in dem die Vollendung der Welt u. Menschheit grundsätzlich entschieden ist. Auch hier ist die Heilsgeschichte letztlich der Grund der Naturgeschichte; sie spielt sich nicht bloß im Rahmen einer von ihr unberührten, allein ihren eigenen Gesetzen folgenden Natur ab. Mit dem Zeugnis von der A. Jesu ist objektiv der Anfang der Verwandlung u. Vollendung der Schöpfung bezeugt (so sehr auch schon ”vor“ dieser A. Menschen in das Leben bei Gott, im Himmel “, gerufen u. geborgen wurden, wie das von Abraham, Isaak u. Jakob, von Henoch, Mose u. Elija biblisch bezeugt ist). Anderseits besagt die A. Jesu, daß der Auferstandene, gerade weil er der irdischen eingrenzenden Leiblichkeit enthoben ist, also durch sein ”Weggehen“, in Wahrheit der Nahe geworden ist, der in einer neuen Gegenwartsweise den in seinem Namen Versammelten (Mt 18, 20), aber auch der Welt im ganzen nahe geworden ist. Daß dies offenkundig u. für alle erfahrbar wird, das steht noch aus: Parusie. – c) Glauben u. Verstehen. Die Berichte des NT über die Erfahrung eines ”Jenseitigen“, der sich ”zeigen“ muß, damit irdisch-menschliche Augen ihn sehen können, eines ”Jenseitigen“, der bei Gott verwandelt u. vollendet ist, diese Berichte betreffen nicht etwas, das im Bereich menschlicher Erfahrungen ”verstehbar“ wäre. Ohne die Erfahrung des Geistes, das heißt in diesem Fall ohne die in Glauben u. Vertrauen akzeptierte Erfahrung der Sinnhaftigkeit des Daseins, kann ein Mensch sich nicht vertrauend auf das Osterzeugnis der Jüngerinnen u. Jünger Jesu einlassen. ”Nur der Hoffende kann die Erfüllung der Hoffnung sehen, u. an der gesehenen Erfüllung kommt die Hoffnung in die Ruhe ihrer eigenen Existenz“ (K. Rahner). Eine ”leibhafte“ A. ist nicht ”vorstellbar“, denn sie ist ja nicht eine Wiederbelebung; sie ist keine Wiederherstellung eines früheren Zustands. Sie bedeutet eine radikale Verwandlung, durch die ein Mensch samt allen seinen freien irdischen Lebensvollzügen hindurchgehen muß, wenn er seine Vollendung in der Überwindung der Zeit finden soll.